0038 - Die Horror-Reiter
Pfarrers riß mich aus meinen Gedanken. »Ist Pater Emilio tot?«
Ich wandte mich um und wischte mir ein paar Schneeflocken aus den Augen. »Ich nehme an, daß er tot ist, auf jeden Fall ist er verschwunden.«
Der Pfarrer schüttelte sich. Es konnte die Kälte, aber auch die Nachwirkung des eben Gehörten sein.
»Wieso verschwunden?«
Ich erzählte es ihm.
»Mein Gott, das ist ja schrecklich«, flüsterte Father Hackmann. »In was bin ich da nur hineingeraten?«
Niemand verstand den Pfarrer besser als ich. Es war für einen Unbedarften immer schwer zu begreifen, daß es noch etwas anderes gab. Etwas, das zwischen den Dingen lag, die uns die Schulweisheit lehrte. Und gerade ein Pfarrer hatte es besonders schwer, diese Dinge zu verstehen. Father Hackmann wollte eine Erklärung, doch ich konnte ihm keine geben.
»Tut mir leid, Father, aber ich stehe selbst vor einem Rätsel.«
Wir gingen wieder ins Haus. Die Wärme tat wohl. In der Diele klopfte ich mir den Schnee ab.
Der Pfarrer sprach mich auf meine letzte Bemerkung hin an. »Und wie wollen Sie das Rätsel lösen, Mr. Sinclair?«
»Indem ich nach Spanien reise.«
»Sie wollen in die Pyrenäen?«
»Ja.«
Die Augen des Seelsorgers wurden groß. »Aber ist das nicht zu gefährlich?«
Ich griff zum Mantel und zog ihn über. »Das schon, aber Gefahr ist mein Job. So abgegriffen sich dies auch anhört, aber der Satz stimmt nun mal.«
»Und was mache ich?«
Ich knöpfte den Mantel zu. »Sie schweigen am besten über all diese Dinge. Kein Wort zu einem Außenstehenden. Sie würden die Menschen nur unnötig in Angst und Schrecken versetzen. Außerdem ist Pater Emilio hier unbekannt.«
Der Pfarrer nickte. »Ja, das wird wohl das beste sein.«
Er begleitete mich zu meinem Wagen. Als ich bereits hinter dem Lenkrad saß, meinte er: »Und halten Sie mich auf dem laufenden, Mr. Sinclair. Ich möchte gern wissen, welches Rätsel sich wirklich hinter all dem verbirgt.«
»Mach ich, Father.«
Ich schlug die Tür zu und startete.
Father Hackmann blickte mir nach, bis die Rückleuchten in der Dunkelheit verschwunden waren.
***
Majestätisch ragten die schneebedeckten Gipfel der Pyrenäen in den glasklaren Winterhimmel. Eine fahle Sonne stand am Firmament. Ihre Strahlen wärmten nicht mehr. Sie tupften als blasse Schemen gegen die gewaltigen Gletscher und Eisfelder und ließen Milliarden von Schneekristallen aufblitzen.
Oberhalb der Zweitausend-Meter-Grenze lag alles in majestätischer Ruhe.
Auch das Kloster Monte Terrano.
Nach Art der griechischen Vorbilder war es auf einem steil in die Höhe ragenden Felsen gebaut worden. Seine beiden Türme wiesen wie zwei anklagende Zeigefinger in den strahlend blauen Winterhimmel. Man sah den Mauern an, daß sie eine wechselnde Geschichte hinter sich hatten. Das war in der Tat der Fall.
Gebaut worden war das Kloster als letzter Schutz gegen die muselmanischen Eroberer im elften Jahrhundert. Durch seine Lage war es uneinnehmbar. Gegen Monte Terrano waren schon Armeen vergeblich angerannt. Nicht nur die Muselmanen, auch andere Eroberer, und den Zweiten Weltkrieg hatte das Kloster ebenfalls überstanden. Die Mönche lebten in Frieden. Es war ein seltsamer Orden, der sich dort zusammengefunden hatte. Er gehörte keiner der christlichen Kirchen mehr an. Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich der Orden zu einer regelrechten Sekte entwickelt. Zwar bestand noch eine christliche Basis, doch in der Auslegung der Lehre waren die Mönche eigene Wege gegangen. Sie nannten sich die Diener der Erde und lebten ungeheuer spartanisch. Zu vergleichen nur noch mit den Trappisten, die in ihren eigenen Särgen schliefen.
Die Diener der Erde schiefen auf dem Boden. Im Winter, wenn es kalt wurde, schützten Strohsäcke ihre Körper. Sommertags jedoch schliefen sie auf dem Gestein. Sie bewohnten auch keine normalen Räume. Ihre Zimmer glichen den Höhlen der Vorfahren. Sie waren einfach in den Fels gehauen worden. Es gab keine Stühle, kein Licht, keinen Tisch, keine Wärme. Nur ein Altar, aus grobem Stein gehauen und mit zwei Kerzen dekoriert, diente den Mönchen als Betstätte.
Hinter dem Altar lag der Strohsack, dessen Füllung nur einmal im Monat gewechselt wurde.
Denn Stroh und Lebensmittel waren knapp im Kloster. In dem kleinen Vorhof wuchsen Hafer und etwas Gras, das als Fressen für die klostereigenen Ziegen diente. Das Brot backten die Mönche selbst, und Fleisch sowie andere weltliche Genüsse waren verboten. Man ernährte sich von Brot
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