008 - Das geheimnisvolle Haus
werde.«
»Dann sagen Sie mir, ob Dr. Fall zu Ihren Freunden gehört?«
»Ich kenne ihn recht gut«, erwiderte er schnell. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wer Dr. Fall sein konnte, aber die augenblickliche Situation schien diese Lüge zu rechtfertigen - Poltavo fiel das Lügen sehr leicht.
»Oder kennen Sie vielleicht Mr. Gorth?«
Er schüttelte energisch den Kopf, und sie atmete erleichtert auf.
»Und wie stehen Sie zu meinem Onkel? Sind Sie sein Freund?« Sie hatte ganz bise gesprochen, aber sie sah ihn begierig an, als ob von seiner Antwort alles abhinge.
Er zögerte.
»Das ist schwer zu sagen«, gab er schließlich zurück. »Wenn Ihr Onkel nicht unter dem Einfluß Dr. Falls stände, würde er wohl mein Freund sein.« Er griff alles aus der Luft und folgte nur der Anregung, die er durch ihre erste Frage erhalten hatte. Doris sah ihn plötzlich mit Interesse an.
»Darf ich Sie vielleicht fragen, wie Ihr Onkel die Bekanntschaft dieses Dr. Fall gemacht hat?«
Poltavo stellte diese Frage mit einer Sicherheit, als ob er alles wüßte und bis auf diesen einen Punkt vollständig informiert wäre.
Sie war unentschlossen.
»Das weiß ich nicht genau. Dr. Fall haben wir schon immer gekannt. Er lebt nicht in der Stadt, und wir sehen ihn nur gelegentlich. Er ist -« Sie zögerte wieder, fuhr dann aber schnell fort: »Ich glaube, er hat einen furchtbaren Beruf, er behandelt Geisteskranke.«
Poltavo war aufs äußerste interessiert.
»Bitte erzählen Sie mir noch ein wenig mehr.«
»Ich fürchte, Sie lieben den Klatsch«, sagte sie ein wenig ironisch, wurde aber gleich wieder ernst. »Ich kann ihn nicht ausstehen, aber mein Onkel sagt, das sei ein Vorurteil von mir. Er ist einer dieser ruhigen, bestimmt auftretenden Männer, die sehr wenig sprechen und aus denen man nicht klug wird. Kennen Sie dieses Ungewisse Gefühl auch? Es ist so, als ob man gezwungen wäre, einen Tango vor einer Sphinx zu tanzen.«
Poltavo lachte, so daß seine weißen Zähne sichtbar wurden. »Und Mr. Gorth?«
Wieder zuckte sie zögernd die Schultern.
»Das ist ein ziemlich gewöhnlicher Mann, er sieht fast aus wie ein Verbrecher, aber anscheinend hat er meinem Onkel viele Jahre lang treu gedient.«
»In welchen Beziehungen steht Dr. Fall zu Ihrem Onkel?« fragte er. »Ist er ihm gleichgestellt?«
»Aber natürlich! Er ist ein Gentleman und gehört zur Gesellschaft. Ich glaube auch, daß er ziemlich wohlhabend ist.«
»Und wie steht Ihr Onkel zu Gorth?«
Er war aufs äußerste interessiert, da er doch die Stellung des Toten einnehmen sollte, der in dem dumpfen Haus in der nebligen Gasse lag.
»Es ist ziemlich schwer, die Beziehungen zu beschreiben, in denen Mr. Gorth zu meinem Onkel steht«, sagte sie ein wenig verlegen. »Früher verkehrte mein Onkel mit ihm wie mit seinesgleichen, aber manchmal war er sehr ärgerlich über ihn. E” ist wirklich ein schrecklicher Mensch. Kennen Sie eigentlich die obskure Zeitung ›Der schlechte Ruf‹?« fragte sie unvermutet.
Poltavo gab zu, daß er sie kannte und manchmal mit einer gewissen Schadenfreude skandalöse Artikel darin gelesen habe.
»Nun, sehen Sie, das war Mr. Gorths Lieblingslektüre. Mein Onkel wollte die Zeitung niemals in seinem Hause dulden, aber sooft man Mr. Gorth sah - er mußte immer in der Küche auf den Onkel warten -, konnte man diese Zeitung bei ihm finden.
Er lachte sogar über die Gemeinheiten, die in dem Blatt veröffentlicht wurden. Mein Onkel konnte sich sehr darüber ärgern. Mr. Gorth soll etwas mit der Herausgabe dieser Zeitung zu tun gehabt haben, aber als ich einmal mit meinem Onkel darüber sprechen wollte, wurde er sehr böse.«
Poltavo hatte das Gefühl, daß Farrington ihn ständig beobachtete. Er schaute heimlich zu ihm hinüber, ohne den Kopf zu bewegen, und bemerkte, daß Farrington durchaus nicht mit seinem Verhalten einverstanden schien. Er wandte sich ihm zu.
»Ein glänzender Anblick - so ein Londoner Theaterpublikum!«
»Ja, da haben Sie recht«, erwiderte der Millionär trocken. »Berühmte Leute überall - zum Beispiel Montague Fallock.« Farrington nickte.
»Und dieser intelligent aussehende junge Mann auf dem letzten Sitz der vierten Reihe - er sitzt jetzt etwas im Schatten, aber Sie werden ihn vielleicht trotzdem sehen können -« »Mr. Smith«, sagte Farrington kurz. »Ich habe ihn schon gesehen. Ich habe alle Leute erkannt, nur -«
»Nur?«
»Nur nicht die Dame, die drüben in der Königsloge sitzt. Sie hält sich dauernd im
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