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009 - Der Engel von Inveraray

009 - Der Engel von Inveraray

Titel: 009 - Der Engel von Inveraray Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karyn Monk
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er zu beachtlichem Mitgefühl und großem Edelmut fähig.
    Sein Kopf fiel auf die Seite, und sein Atem wurde tiefer, ein Zeichen dafür, dass er eingeschlafen war. Genevieve beugte sich über ihn und legte behutsam die Hand auf seine Stirn. Sie war noch immer heiß, doch nicht mehr so glühend wie zuvor. Ihre Erfahrung mit den Fieberkrankheiten der Kinder hatte sie jedoch gelehrt, dass die Körpertemperatur zunächst fallen konnte, um dann mit Besorgnis erregender Heftigkeit erneut in die Höhe zu schnellen. Sie würde ihn sorgfältig beobachten müssen, um sicherzugehen, dass dies nicht geschah.
    Nachdem sie ihn fürsorglich zugedeckt hatte, nahm sie das von Eunice bereit gestellte Tablett, um es in die Küche zurückzubringen und einen Krug frischen Wassers zu besorgen.
    „Laufen Sie nicht fort."
    Seine Stimme war rau, und seine Worte klangen mehr wie ein Befehl denn wie eine Bitte. Doch seine blauen Augen waren getrübt von Fieber und Verzweiflung, und sie wusste, dass er nicht versuchte, sie einzuschüchtern.
    „Ich werde nur einige Augenblicke fort sein", versicherte sie ihm.
    Er schüttelte den Kopf. „Sie werden mich bald holen kommen, und dann werde ich gehängt. Bitte bleiben Sie, bis es so weit ist."
    „Sie werden kommen, und ich werde sie fortschicken", erwiderte Genevieve bestimmt. „Sie brauchen nicht zu wissen, dass Sie hier sind."
    Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen. Dann schloss er die Lider, als habe er nicht mehr die Kraft, sie länger offen zu halten.
    Genevieve zögerte.
    Schließlich stellte sie das Tablett auf den Tisch und kehrte zu ihrem Sessel zurück, um für den Rest der Nacht an seiner Seite zu wachen.

3. KAPITEL
    „Hör mit dem Geklopfe auf!" rief Oliver ungehalten. „Schneller laufen kann ich nicht!"
    Eine Behauptung, über die sich streiten ließe. Der ungeduldige Besucher vor der Haustür jedoch schien ihn beim Wort zu nehmen, denn er stellte sein heftiges Pochen ein.
    „Wohl noch nie was von der Tugend der Geduld gehört?" brummte Oliver und griff mit seinen schwieligen Händen nach dem Türriegel. „Hat deine Mutter dir nicht beigebracht, dass es ungehörig ist, die Tür eines alten Mannes einzuschlagen?" Er öffnete die Tür und fuhr dabei verärgert fort: „Hast du nicht mehr Manieren als ein stinkender, haariger ... Oh, Verzeihung, Governor Thomson."
    „Teilen Sie Miss MacPhail bitte mit, dass Police Constable Drummond und ich sie unverzüglich in einer höchst dringenden Angelegenheit sprechen müssen", sagte der Gefängnisdirektor ungeduldig.
    Oliver lehnte an der Tür und kratzte sich träge seinen weißhaarigen Schädel. „Was ist denn los? Hat endlich jemand den hässlichen Steinhaufen abgefackelt, den Sie Gefängnis nennen?"
    Governor Thomson lief vor Empörung dunkelrot an. „Ich leite eine ordentliche Haftanstalt, in der sämtliche Empfehlungen der Schottischen Gefängnisinspektion beachtet werden, merken Sie sich das! Und zweitens geht es Sie nichts an, was ich mit Miss MacPhail zu besprechen habe. Und wenn Sie irgendetwas über den Beruf eines Butlers gelernt hätten, seit Sie mein Gefängnis verlassen haben, würden Sie diese Tür auf der Stelle öffnen und den Constable und mich in den Salon begleiten, um dort auf Miss MacPhail zu warten."
    Oliver zog finster die schneeweißen Brauen zusammen. „Tatsächlich? Nun, ich wette, Ihr werter Herr Gefängnisinspektor würde eine ganz andere Liste von Empfehlungen aufstellen, wenn er auch nur eine Woche in dieser stinkenden Jauchegrube zubringen müsste. Vor allem lasse ich niemanden ins Haus, der nicht vorher sein Anliegen genannt hat. Und außerdem werde ich es Miss MacPhail als meiner Dienstherrin überlassen zu entscheiden, ob Sie in ihrem Haus im Salon sitzen oder hier draußen auf sie warten." Mit diesen Worten schlug er ihnen die Tür vor der Nase zu.
    „Lassen Sie die beiden ruhig ein bisschen schmoren." Er kicherte. „Sind Sie bereit, Mädchen?"
    „Fast", antwortete Genevieve und raffte die Röcke, um die Treppe hinabzueilen. Sie hatte ihren noch immer schlafenden Patienten versorgt und ein wenig Zeit gebraucht, um sich zurechtzumachen, bevor sie den Behördenvertretern gegenübertrat. „Du kannst sie in den Salon führen, Oliver." Sie ging rasch in den Raum und nahm Platz.
    Um Governor Thomson noch ein wenig mehr zu ärgern, wartete Oliver einen weiteren Augenblick, bevor er endlich die Tür öffnete. „Miss MacPhail erwartet Sie beide im Salon." Er hob einen Arm und wies mit weit ausholender

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