010 - Der Derbysieger
ich meine Begabung besser verwerten kann.«
»Ich will Ihnen meine Adresse geben, und wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann, dann lassen Sie es mich wissen.«
Milton nahm die Karte, die ihm Eric gab.
»Man trifft selten einen Menschen wie Sie«, sagte er. »Die reichen Leute sind im allgemeinen verdorben, weil sie von allerhand Vagabunden und schlechten Elementen getäuscht und betrogen werden, so daß sie überhaupt nichts mehr von ihren Mitmenschen wissen wollen. Aber vielleicht komme ich noch einmal in die Lage, Ihre Güte zu erwidern. Inzwischen können wir uns ja die Langeweile auf der Reise vertreiben, indem wir uns nach einem passenden Beruf für mich umsehen. Irgend etwas muß ich schließlich anfangen.« Er hatte halb im Scherz, halb im Ernst gesprochen. »Morgen muß ich mir jedenfalls klar darüber sein, was ich tun will. Ob wir nun zu dem Resultat kommen, daß ich zur Bühne gehe - und ich bin keineswegs ein schlechter Schauspieler -, oder ob ich mich als Kellner in einem Lokal auf dem Montmartre verdinge, ist ja im allgemeinen gleichgültig. Nur habe ich gehört, daß die Trinkgelder auf dem Montmartre sehr gut sein sollen, so daß man bei einer solchen Be schäftigung nicht schlecht fährt. Vielleicht könnte ich auch Plakatkleber in London werden. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mit mir beraten wollten, welcher Beruf für mich am zweckmäßigsten ist.«
3
Es gibt verrufene Viertel in Nizza, von denen die Fremden, die auf der Promenade des Anglais im hellen Sonnenschein lustwandeln und sich an den Mimosen und den schönen Palmen erfreuen, für gewöhnlich gar nichts erfahren.
In einer kleinen Nebenstraße ließ Monsieur Soltescu sein Auto halten. Der Chauffeur hatte sich sehr gewundert, daß dieser gutgekleidete Herr zu einer so armseligen Straße fahren wollte.
Die Passage du Bue ist eng und von hohen, häßlichen Häusern eingefaßt, in denen kleine Handwerker, Arbeiter und Krämer wohnen. Nummer 27 war das baufälligste Gebäude der Reihe, aber Monsieur Soltescu kannte derartige Wohnungen. Sie waren immerhin noch besser als die Behausungen seiner Fabrikarbeiter. Er war nicht sentimental veranlagt und kümmerte sich wenig um das Elend seiner Mitmenschen.
»Sie wollen Monsieur Pentridge besuchen?« fragte der schlechtgekleidete Pförtner; selbst dieses erbärmliche Haus hatte einen Pförtner. Er hatte allerdings nur die Pflicht, wöchentlich die Mieten von den Bewohnern einzusammeln. »Ja, Monsieur Pentridge ist zu Haus. Vierter Stock, links die erste Tür von der Treppe aus.«
Soltescu stieg die wackligen Stufen schnell hinauf. Er lächelte bei dem Gedanken, daß er in größte Gefahr kommen könnte, wenn jemand die große Summe in seiner Brieftasche vermutete. Als er an die beschriebene Tür kam, klopfte er. Zuerst meldete sich niemand, und erst auf wiederholtes Pochen erhielt er Antwort.
»Herein!« rief eine unangenehme, heisere Stimme.
Der Rumäne öffnete die Tür und trat in ein kleines, schlecht möbliertes Zimmer. Außer einem alten Feldbett, das in der einen Ecke des Zimmers stand, konnte er nur noch einen Tisch, einen gebrechlichen Stuhl und einen kleinen Wandschrank entdecken. Eine schmutzige Petroleumlampe beleuchtete den Raum nur spärlich.
John Pentridge, den er aufsuchen wollte, saß auf der Bettkante. Er trug ein paar alte Hosen und ein unsauberes Hemd, das vorn offenstand. Auf dem Bett lag der armselige Smokinganzug, den er gerade ausgezogen haben mußte. Er war eben erst gekommen und hatte seinem Chauffeur eine Belohnung versprechen müssen, um zur verabredeten Zeit zu Hause sein zu können.
Mit einem verschlagenen Blick betrachtete er den Fremden und gab sich nicht einmal die Mühe, aufzustehen. Soltescu glaubte, noch niemals einen Mann von so abstoßendem Äußeren gesehen zu haben.
»Sind Sie Monsieur Soltescu?«
Pentridge hatte in Englisch gefragt, und der Rumäne nickte. Ohne weitere Aufforderung nahm er den Stuhl, rückte ihn an das Bett heran und setzte sich.
»Mr. Pentridge, ich bin bereit, das wichtige Geschäft sofort mit Ihnen abzuschließen. Heute abend noch muß ich nach Paris weiterfahren, wo ich verschiedene Konferenzen angesetzt habe. Sie werden also verstehen, daß ich keine Zeit zu weitschweifigen Verhandlungen habe.«
»Ich begreife vollkommen«, entgegnete der andere unliebenswürdig. »Haben Sie das Geld mitgebracht?«
»Darüber wollen wir später sprechen«, meinte Soltescu diplomatisch. »Zuerst geben Sie mir einmal Ihre
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