011 - Sanatorium der Toten
Boden
war uneben, schimmerte manchmal schwarz durch den Staubteppich, der auch hier
ein Zeichen für das Alter der Räume war.
Spuren eines
Kampfes! Der Staub war an zahllosen Stellen aufgewühlt, zertrampelt.
Und dann sah
er die dunklen Flecke, die Spritzer. Blutspuren! Larry bückte sich, leuchtete
mit dem hellen Strahl eine solche Stelle aus, daß sie schattenlos vor ihm lag.
Dunkles, verkrustetes Blut.
Blut, das
keine 200 Jahre alt sein konnte, das höchstens zwei oder drei Tage alt war!
Er folgte der
Spur, kam zu dem großen Faß, das sich wie ein Berg vor ihm auftürmte. Hier
endeten die Spuren. Und dann sah er etwas, was sein Herz mit einer Klammer
zusammenpreßte. Unter dem Zapfloch war eine riesige, dunkle Lache
ausgetrocknet.
Larry Brent
ging um das Faß herum. Der riesige Behälter lagerte auf einem morschen Gestell.
Das Gefäß selbst war auch nicht mehr ganz. Hinten waren mehrere Dauben
gelockert, oder die Faßbänder fehlten und die obere Hälfte der Dauben war
durchgefault.
In dem
Behälter war ein Loch, so groß, daß sein Oberkörper bequem hineinpaßte. Ein
plötzliches Gefühl zwang ihn dazu, den Lichtstrahl in das Faß zu lenken. Er
hatte einen Verdacht, furchtbar und zwingend, es war, als ob er unter einem
Bann stünde.
Und dann sah
er es. Ein verkrümmter Körper bot sich seinen Augen. Es war ein Mann. Der
Kleidung nach war es Kommissar Chagan. Er lag in einer riesigen vertrockneten
Blutlache.
Dann lenkte
Larry Brent den Lichtstrahl nach oben. Dahin, wo Chagans Schädel liegen mußte.
Ein Gefühl von Übelkeit stieg in ihm auf, und er mußte sich abwenden.
Es war eine
Leiche ohne Kopf.
Larry ging
durch den Weinkeller… ernst und verschlossen. Er fand an der vorderen Wand
einen schmalen Durchlaß. Unter einem Gewölbe aus Sandstein führten steinerne
Stufen nach unten.
Ein Keller
unter dem Keller?
Er stieg
hinab und glaubte zu träumen, als die Taschenlampe den Raum aus der Finsternis
riß. Eine Folterkammer! Er sah die riesige Guillotine inmitten des Gewölbes,
erblickte die Streckbänke, die Kessel, in denen die Opfer in siedendes Öl
getaucht worden waren. Und an den Wänden? Degen, Messer, auch Jagdmesser,
Hirschfänger, Schwerter… Dies war eine Folter- und Waffenkammer, wie er niemals
zuvor eine gesehen hatte.
Larry wagte
kaum zu atmen. Er ging um die Guillotine herum. Das blinkende scharfe Messer
hing oben, unheilvoll und drohend, bereit, jeden Augenblick herabzusausen.
X-RAY-3 mußte unwillkürlich an Chagans Leichnam denken. Die Guillotine hatte
ihn geköpft. Aber da mußte er schon tot gewesen sein. Deutlich hatte er den
Stich durch die Brust des Kommissars wahrgenommen.
Lautlos
bewegte sich Larry Brent durch das makabre Gewölbe. Er war überrascht über die
Größe. Die Kammer führte in einen schlauchähnlichen Raum – eine Gruft. Larry
kam aus den Überraschungen nicht mehr heraus. Es ging jetzt Schlag auf Schlag.
In der dunklen Gruft stand ein Sarg, groß und gewaltig. Man hätte fünf andere
darin unterbringen können. Er schimmerte matt und bleiern – ein Bleisarg. Alles
in Larry sträubte sich. Dies war ein Alptraum. Er glaubte die krächzende Stimme
der alten Louise neben sich zu hören.
»Sie haben
ihn in einem Bleisarg beigesetzt. Und niemand weiß, wo dieser Sarg steht. Der
Sarg des Marquis de Noir… wenn man ihn fände und vernichten würde, dann würden
auch die rätselhaften Geschehnisse in dieser Umgebung aufhören!«
Der
Lichtstrahl glitt lautlos wie ein überdimensionaler Geisterfinger über den
Bleisarg. Der erhabene Deckel trug einen grinsenden Totenschädel aus Blei, die
Seitenteile waren mit unheimlichen Fabelwesen verziert, die von
halbmenschlichen Wesen erstochen, zerschlagen oder niedergetrampelt wurden.
Larry begriff die Darstellungen nicht. Er lenkte den Strahl noch einmal nach
oben, erst jetzt erkannte er richtig, daß unterhalb des grinsenden Schädels
noch etwas in den Bleideckel eingearbeitet war. Es waren die Umrisse eines
riesigen Henkers, der die Arme ausstreckte und in beiden Händen die
guillotinierten Köpfe von zwei Menschen hielt.
Das Geräusch
war dumpf und fern, aber es näherte sich beständig. Es war unter seinen Füßen.
Es war, als ob die Wände ringsum, als ob der Boden mit einem Male zu leben
anfingen, zu atmen, er war nicht mehr allein.
Jetzt waren
die Geräusche ganz nahe.
Larry Brent
knipste die Taschenlampe aus, wich wie unter dem Druck einer eiskalten Hand in
die Finsternis zurück, fühlte gleich darauf die
Weitere Kostenlose Bücher