0121 - Horror-Urlaub

hinter ihrer Stirn, nicht diesem Kerl in die Arme fallen.
    Sie raffte sich wieder auf und erstarrte.
    Der Fremde, mit dem Gelände besser vertraut, hatte sie überholt und erwartete sie bereits.
    Langsam wich Nicole Duval zurück.
    Sie sah mit weitaufgerissenen Augen auf den Mann mit dem Dreispitz.
    Der Kerl trug tatsächlich eine Pelerine. Trotz der Hitze hüllte er sich darin ein wie Napoleon bei Austerlitz. Der Dreispitz rutschte ihm fast über die Augen. Die Sachen schienen nicht für ihn geschneidert. Außerdem lief er barfuß.
    Der Gegensatz hätte vielleicht lächerlich gewirkt, wäre dieses grobe Gesicht mit den irren Augen nicht gewesen. Eine Hand streckte sich aus, mit Warzen übersät.
    Der Mann lachte glucksend.
    Nicole Duval warf sich herum.
    Das Grinsen in dem feisten Gesicht erlosch. Der Mann grunzte enttäuscht. Dann nahm er die Verfolgung auf.
    Nicole Duval rannte in die gleiche Richtung zurück, aus der sie gekommen war. Ihre einzige Chance bestand darin, den Strand zu erreichen. Dort mußten Menschen sein.
    Unerbittlich holte der seltsame Verfolger auf.
    Er schnitt dem Mädchen den Weg ab.
    Nicole Duval blieb atemlos stehen.
    Sie war bereit, ihr Leben zu verteidigen.
    Vorsichtig näherte sich der Mann mit dem Dreispitz. Er zog den Kopf ein und bewegte sich langsam auf Nicole zu.
    Sein Blick flackerte.
    Er hatte schlechte Zähne. Seine Augen waren von wäßrigem Blau. Die Stirn war voller Pickel. Das fuchsrote Haar hing strähnig herunter. Der Dreispitz hatte sich verschoben und war weit in den Nacken gerutscht.
    »Lassen Sie mich zufrieden!« fauchte die Französin. Sie ging in Abwehrstellung, bereit, sich zu wehren. Sie kannte ein paar Griffe, die ihr Professor Zamorra beigebracht hatte. Aber sie war nicht sicher, ob dieser bärenstarke Kerl zu bezwingen war.
    »Verschwinden Sie!« zischte das Mädchen.
    Der Mann mit dem Dreispitz lachte unbeirrt.
    Er mußte verrückt sein.
    Nicole Duvals Herz klopfte zum Zerspringen.
    Der Fremde streckte die warzenübersäte Hand aus und strich ihr übers Gesicht. Er schnurrte dabei wie eine Katze.
    Er packte sanft das Handgelenk des Mädchens und zog Nicole hinter sich her. Da er in Richtung Strand marschierte, sträubte sich Nicole nicht.
    Es sah ganz so aus, als habe sie einen neuen Verehrer gefunden. Er war allerdings gar nicht nach ihrem Geschmack.
    ***
    Peer Oldörp lachte Tränen, als Nicole Duval von ihrem Abenteuer berichtete. Er nickte immer wieder.
    Sie saßen an einem runden Eichentisch im Gasthof.
    Professor Zamorra hatte gerade über das Phänomen berichtet, das er in dem alten Schafstall beobachtet hatte. Er schien sicher zu sein, daß jemand auf der Insel die Kunst der Telepathie und der Psychokinese beherrschte und daß dessen Talent alle bekannten Fähigkeiten überstieg.
    »Das war Ole Munk«, klärte der Däne den Vorfall auf. »Ein harmloser Verrückter. Jedenfalls war er das bislang.«
    »Aber woher hatte er den Dreispitz?«
    »Gefunden. Mancher, der sich ins Dünengebiet wagte, um Möweneier zu sammeln, kam mit merkwürdigen Gegenständen zurück. Unser unbekannter Freund muß viele Verstecke angelegt haben. Mit Kultgegenständen und Kleidern, wie er sie braucht, um sich als Mann mit dem Dreispitz zu kleiden. Die Gründe für sein Verhalten können wir natürlich nur ahnen.«
    »Ganz Ihrer Meinung«, bestätigte Professor Zamorra.
    Er trank einen Pharisäer, einen Kaffee, den ein doppelstöckiger Cognac verbessert hatte.
    »Ole Munk hat die Sachen gefunden und sich angezogen. Er war wohl sehr stolz darauf und wollte sich Ihnen nur präsentieren«, fuhr Oldörp fort.
    »Das konnte ich nicht ahnen«, seufzte Nicole Duval. »Ich habe Höllenängste ausgestanden.«
    »Du solltest überhaupt mehr in meiner Nähe bleiben, Nicole«, warf Zamorra ein. »Erstens hast du da mehr Sicherheit, zweitens brauche ich dich. Du mußt Notizen machen, Protokolle schreiben und all die Dinge, für die man gewöhnlich eine Sekretärin engagiert.«
    Nicole nickte zerstreut. Ihre Gedanken waren bei Ole Munk, dem harmlosen Verrückten, und seinem erschreckenden Mummenschanz.
    »Warum trägt eigentlich der Mann, den wir wirklich suchen, solche altmodischen Sachen?« erkundigte sich Nicole bei Peer Oldörp.
    Der Däne galt als Experte für alles, was mit der Vergangenheit der Insel Anholt zu tun hatte.
    »Es geht die Sage«, erklärte der Bürgermeister, »daß es sich um den Kapitän eines französischen Segelschiffes handelt. Im achtzehnten Jahrhundert durchfuhr er