0121 - Horror-Urlaub
noch in Urlaub?
»Also war es Mord«, stellte Jens Olsen ruhig fest.
Seine Zuschauer starrten ihn verblüfft an.
»Wie kommst du darauf?« fragte der Lehrer erschrocken.
Der Polizist schwieg, um die Spannung zu erhöhen. Das hier war sein Fachgebiet. Hier kannte er sich aus.
»Die Clogs«, meinte Olsen schließlich, »die ihr gebracht habt, sind Größe neununddreißig. Alle anderen Schuhe hier sind zweiundvierzig.«
»Und wer sollte das getan haben?« fragte Dagmar Fisker.
»Wir werden sehen«, erwiderte der Uniformierte ausweichend. »Ich sehe mir jetzt erst einmal die Stelle an, wo ihr die Sachen gefunden habt. Vielleicht gibt es Spuren. Irgendwo muß ja auch die Leiche sein.«
»Die Strömung müßte sie im Dünengebiet an Land spülen«, bestätigte Holger Jerup, der sich auskannte. Dort fand er häufig Strandgut.
»Nehmen wir deinen Geländewagen?« erkundigte sich der Polizist.
Der Lehrer nickte.
»Ich frage mich, wer ein Interesse daran hatte, eine Lehrerin aus Deutschland zu ermorden, die gerade seit drei Stunden auf der Insel ist«, murmelte er ratlos.
»Da gibt es viele Gründe. Raub, Sexualverbrechen. Was weiß ich«, brummte Olsen und bückte sich, um nicht mit dem Kopf gegen den Türrahmen zu stoßen. Er war ein Schwergewicht, aber man sah es ihm nicht an, weil er ziemlich groß war. Früher hatte er geboxt.
»In den Dünen ist es nicht geheuer«, mischte sich Godfred Fisker ein. »Das wißt ihr alle.«
»Du meinst die Boote, die bei Vollmond landen?« grinste Jens Olsen. »Du mußt dir mal eins merken: die Polizei beschäftigt sich nicht mit Spuk und ähnlichem Unsinn. Wir überwachen die Einhaltung der Gesetze. Und es gibt gegen Gespenster keine. Das ist euer Bier.«
»Ach ja, Bier«, fiel Godfred Fisker ein. »Ist noch Zeit für ein Tuborg? Dagmar hat eine Batterie- im Kühlschrank.«
»Da sage ich nicht nein«, strahlte Jens Olsen.
Sie setzten sich und tranken Bier.
»Wenn Marion Theben diesen rätselhaften Besuchern unserer Insel in die Quere gekommen ist«, überlegte der Lehrer laut, »kann es doch sein, daß sie beseitigt wurde. Oder es ist ein Ritualmord geschehen.«
»Fängst du schon wieder mit den alten Geschichten an?« antwortete Jens Olsen gereizt. Auf die ersten Alarmmeldungen hin, im entlegenen Dünengebiet auf Anholt trieben rätselhafte Besucher ihr Unwesen bei Kerzenschein und Trommelklang, hatte er sich drei Nächte um die Ohren geschlagen. Er hatte vergeblich nach denen gefahndet, die schwarze Kerzen benutzten und Mumienhände an Bastschnüren aufhängten. Wer immer dort Orgien gefeiert hatte, im Alkoholrausch oder unter Drogeneinfluß: es konnte kein Einheimischer sein. Hier kannte jeder jeden. Von den Gästen war es auch keiner gewesen. Die sonnten sich lieber am Strand und bauten Sandburgen.
Und die Fremden waren so unauffällig verschwunden, wie sie die Insel angesteuert hatten. Vielleicht kamen die Boote, deren Spuren Olsen am Strand gefunden hatte, aus Schweden. Jedenfalls hatte er vergeblich nach Opfern unbekannter Blutrituale gesucht. Die Reliquien des merkwürdigen Kults hatte er gefunden und nach Grena an seine Vorgesetzte Dienststelle geschickt. Er hatte nie wieder etwas von dem Zeug gehört und war nicht bereit, sich abermals auf so abwegige Abenteuer einzulassen.
»Ich habe ein Buch über Voodoo gelesen«, schaltete sich der Lehrer ein und setzte die Bierflasche ab.
»Wir leben in Dänemark, nicht in der Karibik«, rückte der Polizist die Dinge zurecht und leerte seine Flasche.
Sie brachen auf.
Ihr Ausflug endete mit einem völligen Mißerfolg.
Es gab keine Hinweise auf den Täter an jener Stelle, wo die Sachen der Lehrerin gefunden worden waren.
Godfred Fisker, Jens Olsen und Holger Jerup bildeten eine Treiberkette. Systematisch suchten sie das Gelände ab.
Sie wanderten durch die Dünen, scheuchten brütende Möven auf, begegneten aber keinem Menschen. Schließlich kamen sie auch am Hünengrab vorbei.
»Der Eingang ist eingestürzt«, meldete Godfred Fisker.
»Aber nicht von allein«, widersprach der Lehrer. »Ich kontrolliere jedes Jahr die Anlagen.«
»Wann warst du zum letzten Male hier?«
Der Polizist fixierte den Lehrer.
Holger Jerup war unter anderem auch für Altertumspflege auf der Insel zuständig. Er war zum Vorsitzenden des Heimatvereins gewählt worden. Er hatte eine ganze Reihe von Posten gesammelt, die seinen Neigungen entgegenkamen.
»Vielleicht steckt sie darin. Das wäre die einfachste Lösung. Kein Mord, keine
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