0179 - Spuk im Leichenschloß
Unterlagen würde ich sowieso nicht mehr herankommen. Deshalb machte ich kehrt und ging zum Bentley zurück.
»Ab nach London«, sagte ich.
»Das war also alles?«
Suko hatte gefragt, und ich nickte. »Ja, das war es. Der grüne Dschinn hat gründlich aufgeräumt.«
Im Innenspiegel sah ich Kelims Gesicht. Der Türke grinste von Ohr zu Ohr.
Ihm würde es noch vergehen, denn in London warteten die Richter.
Schließlich war er für einen Mord verantwortlich. Er hatte einen Menschen von einer Decke zerquetschen lassen. Fast wäre ich auch auf diese scheußliche Art und Weise ums Leben gekommen.
Ich wendete auf der Straße und rollte den Weg wieder zurück.
Der Polizist winkte mir freundlich zu und leitete uns an dem Stau vorbei, so daß wir freie Fahrt hatten.
»Außer Spesen nichts gewesen!« kommentierte der Chinese neben mir sehr richtig.
»Der Steuerzahler wird es verkraften können.« Ich war ziemlich sauer. Da fuhr man durch die Gegend und erreichte nichts. Nur Energie wurde nutzlos verbraucht.
Vor uns lagen einige Meilen. Wir mußten quer durch die Grafschaft Kent. Eine wunderschöne Landschaft. Sehr typisch und auch sehr, sehr englisch.
Ich ließ den Bentley rollen. Der Aufenthalt in Faversham hatte kaum eine halbe Stunde gekostet. Hätte ich alles vorher gewußt, dann wäre uns die Reise erspart geblieben.
Kelim hatte seinen Spaß. Immer wieder drohte er mit dem grünen Dschinn, der uns bald alle vernichten würde.
Suko drehte sich um und erwiderte trocken: »Schau lieber aus dem Fenster, Türke. Es wird wohl das letzte Mal sein, daß du etwas Grünes siehst. Das nächste Grün wird dir unter die Augen kommen, wenn du deine Runde auf dem Gefängnishof drehst.«
Da schwieg er. Nicht nur Kelim wußte, wie recht Suko hatte. Ich nahm an, daß ihn der Richter lebenslänglich hinter Gitter stecken würde. Mitleid hatte ich mit dem Mann nicht. Ich brauchte nur an die herabsinkende Decke zu denken, da wurde mir ganz anders.
Der Himmel war bedeckt. Wir sahen lange Wolkenstreifen, die manchmal regelrechte Figuren bildeten, wenn sie flach am Himmel lagen. Dahinter und auch zwischen ihnen schimmerte das Hellblau des Sommerhimmels. Es war ein angenehmer Tag, obwohl die Nächte inzwischen länger wurden. Die heißen Tage schienen vorbei zu sein.
Im Westen sahen wir eine Hügelkette. Über ihren sanften Wellen stand der gewaltige Sonnenball. Noch einmal glühte er auf. Bald würde seine Kraft schwächer werden, und schließlich völlig verarmen. Eine Kutsche kam uns entgegen. Wir mußten dicht an den Straßenrand, um das Gefährt vorbeizulassen.
Ich konnte einen raschen Blick durch die Scheiben werfen und sah ein Hochzeitspaar. Sie trug einen weißen Schleier und lächelte. Ihn konnte ich nicht sehen.
Wenig später erreichten wir eine Abzweigung. Dort stand eine Tafel mit der Aufschrift Highgrove Castle.
Die Umrisse der Burg schimmerten auf der linken Seite.
Hoch am Himmel kreisten Vögel. Ich fuhr langsam und hatte deshalb Zeit, die Tiere zu beobachten. Es waren wahrscheinlich Falken oder Sperber, die dort flogen und sich dabei von den Aufwinden tragen ließen, denn ihre Flügel standen still.
Irgendwie sah es majestätisch aus. Vielleicht interessierten mich die Vögel aus diesem Grund, denn einen anderen konnte ich wirklich nicht nennen.
Dabei war es mein Glück, daß ich die Tiere beobachtete. Denn plötzlich trudelte einer ab.
Unwillkürlich ging ich vom Gas. Es sah so aus, als hätte ein Blitzschlag den Vogel getroffen. Senkrecht und mit angelegtem Flügelpaar jagte er auf den Boden zu.
Ich sah nicht mehr, wie er aufschlug, etwas anderes hatte meine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen.
Ein grüner Schimmer zeigte sich am Himmel. Und er packte auch den zweiten Vogel.
Mit ihm geschah das gleiche, nur daß er sich in der Luft auflöste und als Staubfahne dem Boden entgegenschwebte.
Ein schrecklicher Verdacht kam mir.
»Suko, der grüne Dschinn!«
Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, als es geschah. Aus dem Nichts tauchte das riesige affenähnliche Gesicht auf, der Rachen wurde weit aufgerissen, und die dem Gesicht folgende Gestalt bedeckte fast den gesamten Himmelsausschnitt.
Das Heulen war selbst im Wagen zu hören. Der Dschinn kam, um uns anzugreifen.
»Raus!« brüllte ich Suko zu und trat auf die Bremse. Ich öffnete die Tür an meiner Seite, wollte den Sicherheitsgurt lösen, kam jedoch nicht mehr dazu.
Der Dschinn war schneller!
Ich hatte die Tür ganz aufgestoßen. Suko nur halb.
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