0217 - Das Gespensterschiff
»Das waren Sie doch, Sie Geisterseher! Wie haben Sie das hingekriegt mit Ihrem Zauberfetisch?«
Zamorra ließ Nicole nur halb los. Vor seiner Brust hing das Amulett und funkelte in reinem Silberleuchten, aber es zeigte keine schwarzmagische Aktivität in der Nähe mehr an.
Zamorra lächelte.
»Sie würden es mir doch nicht glauben, Commander«, sagte er. »Schreiben Sie ins Logbuch: Keine besonderen Vorkommnisse, einverstanden? Und jetzt haben meine Sekretärin und ich eine Ruhepause verdient.«
Er ließ den verdutzten Kapitän des Kreuzers stehen und wanderte Arm in Arm mit Nicole zu den Unterkünften zurück. Staunende Gesichter sahen ihnen nach.
»Ich habe so eine Ahnung, wie es gewesen sein könnte«, murmelte James Ringoe. Goohan fuhr herum und starrte ihn an.
»Wir waren an Bord des Geisterschiffs«, sagte der 1. Offizier leise. »Ein paar Männer und ich sprangen beim Zusammenprall hinüber. - Zamorra war auch drüben und verstand sich unheimlich prächtig mit dem Knochenkapitän. Er erzählte etwas von unterschiedlichen Zeitabläufen, die das Gespensterschiff von uns trennen sollten, und das wollte er ändern.«
»Blödsinn!« knurrte Goohan. »Den Mist können Sie in der nächsten Hafenspelunke von sich geben, aber nicht hier in aller Öffentlichkeit… Seemannsgarn…«
»Aber unheimlich fein gesponnen«, murmelte Ringoe ihm verärgert nacn. »So fein gesponnen, daß ich nicht mehr durch die Maschen sehen kann…«
Und doch hätte er gern gewußt, was wirklich geschehen war.
***
»Dabei war es doch ganz einfach«, sagte Zamorra. »Ich muß mich direkt wundern, daß es so wenig Energie erforderte - vielleicht kam die nötige Kraft auch aus Mütterchen Natur selbst, die einen Unterschied des Zeitablaufs nicht dulden kann…«
»Alles ist mir immer noch nicht klar«, sagte Nicole vor der Tür von Zamorras Kabine. Sie besaßen Einzelkabinen, aber das störte beide herzlich wenig. Platz war in der kleinsten Hütte.
»In der Straße der Götter läuft die Zeit mit einer anderen Geschwindigkeit ab; das ist uns ja schon des öfteren aufgefallen. Ich habe nun das Gespensterschiff zu einem Teil unserer Welt werden lassen. Der Zeit-Unterschied mußte aufgeholt werden, und das Schiff wurde - gewissermaßen im Stillstand - zurückversetzt. Demzufolge konnte weder die GIOVANNI versenkt sein noch die ARIES beschädigt, und unser Gespensterschiff ist jetzt auch keins mehr, sondern ein ganz normaler Viermaster mit zwei lustigen Laserkanönchen an Bord. Hoffentlich läßt Scune die rechtzeitig verschwinden…«
»Aber - das wäre ja dann ein Zeitparadoxon«, murmelte Nicole.
»Es sieht nicht danach aus«, sagte Zamorra leise. »Denn dann könnten wir uns nicht an alles erinnern, was geschehen ist - und dann hätte es für uns auch gar keinen Grund gegeben, aktiv zu werden… ach, verflixt, ich begreif’s selbst noch nicht so ganz und will es auch nicht begreifen.«
»Ich weiß«, funkelte Nicole ihn an. »Du willst jetzt Ginger begreifen.«
»Wen?« ächzte er erschrocken. »Ginger?«
Entschlossen stieß Nicole die Tür zu Zamorras Quartier auf. Ihre Ahnung, genährt durch die feurigen Blicke, die Ginger Zamorra zugeworfen hatte, fand sich bestätigt. Mit noch feurigerem Blick saß Ginger auf der Bettkante und strahlte Zamorra an.
Bis auf die Fähigkeit, neuerdings Angst verspüren zu können, hatte sie sich nicht geändert.
Aber Nicole ließ ihr keine Zeit, das Angstgefühl auszukosten. »Auf der GIOVANNI erwartet man Sie dringend, Ginger«, stellte sie fest, machte kurzen Prozeß und schmiß das Vögelchen ’raus. Sie wollte mit Zamorra allein sein, und dazu brauchte sie weder Konkurrentinnen noch Zuschauer.
Und Zamorra war da ganz ihrer Ansicht.
ENDE
[1] Siehe Professor Zamorra Nr. 187 »Duell der Dämonen«
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