0281 - Die Höhlen des Schreckens
Stockzappenduster. Was sich dort befand, ließ sich nur erraten. Die Dreiundzwanzigjährige faßte sich ein Herz, näherte sich wieder der Tür und machte einen schnellen Sprung vorwärts.
Die Stahltür schnappte nicht zu. Anjas Schuhe berührten Metall. Sie blieb stehen, knipste das Feuerzeug wieder an und sah sich um. Der Schein reichte nicht weit. Aber er genügte, um zu erkennen, daß diese Felsenhöhle nur unwesentlich größer als der Vorraum war. Vielleicht fünfunddreißig bis vierzig Meter, mehr nicht.
Und gut gefüllt…
Da stand etwas, das sie in der Dunkelheit nicht richtig erkennen konnte. Aber es war mit Sicherheit ein künstliches Gebilde. Eine Maschine vielleicht? Sie fischte nach der Zigarettenpackung in der Hosentasche, stellte fest, daß die meisten Stäbchen von ihrer Rutschpartie her zerdrückt waren, und setzte das letzte noch heile Rauchopfer in Brand. Tief inhalierte sie den blauen Dunst. Umweltverschmutzung durch Räucherwerk war das ja nicht, weil der Qualm durch die Lunge gefiltert wurde.
Jetzt trat sie langsam an die seltsame Maschine heran. Ein eigentümliches Knistern erklang und ließ sie zusammenschrecken. Sie war nicht gerade ängstlich, aber in dieser unbekannten Felsenhöhle und in der Dunkelheit… man konnte nie wissen, worauf man stieß. Vielleicht gab es hier Ratten oder anderes unerquickliches Getier. Spinnen…
Sie hielt die Feuerzeugflamme dicht an die bizarre Konstruktion.
Ein eigenartiger Effekt trat ein. Obgleich es in der Höhle vollkommen windstill war, wurde die Flamme auf die Maschine zu gebogen. Anja Feld sog wieder an der Zigarette, die merkwürdig schnell abbrannte. Ihre Hand berührte das Metall. Es war kühl und glatt.
Da erlosch das Feuerzeug!
Anja ließ das Rädchen wieder schnurren, aber mehr als Feuersteinfunken kam nicht mehr zustande. Das Feuerzeug war leer! Ausgerechnet jetzt.
Sie stand im Dunkeln. Der einzige Lichtfleck war noch der Glutpunkt ihrer Zigarette. Selbst den matten Schein vom Durchgang her konnte sie nicht mehr erkennen. Sie erschrak. Hatte sich die Tür lautlos wieder geschlossen? War sie jetzt eine Gefangene der Höhle?
Das fehlte ihr gerade noch!
Sie wirbelte herum, lief dorthin, wo sie die Tür vermutete. Fand sie auch, das kühle, glatte Metall. Die Tür war geschlossen, und sie öffnete sich diesmal nicht, als Anjas warme Handfläche sie berührte, abtastete. Sie war gefangen!
Abermals klang das leise, eigentümliche Knistern auf.
Und dann - kam das Licht…
***
Der weiße Rolls-Royce Silver Shadow mit den vergoldeten Chromteilen stoppte kurz, rollte ein paar Meter weiter und blieb dann hinter dem betagten Ford Capri in der Geröllbucht stehen, wie der Fahrer den recht unbefestigten Randstreifen kurzerhand taufte. Der Mann, der den Rolls verließ, war eigentlich zu jung, um einen Wagen im Wert eines mittleren Einfamilienhauses zu fahren. Aber das Fahrzeug paßte zu ihm. Er fuhr es nicht, er trug es wie einen Anzug. Wie ein verwegener Wikinger sah er aus, als er die lange Wagenschnauze umrundete, stehenblieb, weil er dem lockeren Geröllboden nicht traute und die Rutschspur betrachtete, die ihm vom Wagen aus schon aufgefallen war.
Spur und Ford Capri redeten eine deutliche Sprache. Hier war jemand ausgestiegen und auf radikalen Abwärtskurs gegangen.
Ted Ewigk, Star-Reporter, der es geschafft hatte, irgendwann die erste Million zu erwirtschaften und seither das Geld für sich arbeiten zu lassen, sah nach unten. Von dem Rutscher war nichts zu sehen. Aber ganz in die Tiefe konnte er nicht gesaust sein, weil die Rutschbahn direkt auf ein kahles Bäumchen zuging. Und da schien es eine Art halsbrecherischen Pfad zu geben, den allenfalls eine Gams benutzen konnte.
Ted Ewigk strich sich durch das blonde Haar. Wer da abwärts sauste, kam aus eigener Kraft nicht wieder hoch. Er selbst mit seinen Sportschuhen auch nicht. Festeres Schuhwerk lag im Koffer. Aber den auszupacken hatte er hier keine Lust.
Er ging zum Ford Capri. Auf dem Beifahrersitz lag eine Damenhandtasche. Das Fahrzeug selbst war nicht abgeschlossen. Wahrscheinlich hatte die Fahrerin sich nur mal ein bißchen die Füße vertreten oder das Bergpanorama bewundern wollen. Und von da an ging’s für sie bergab.
Ted ging vorsichtig an der Kante weiter, sah unten den plattformartigen Vorsprung, und da hörte auch der nur für Gemsen zugelassene Kraxelpfad auf, gut ein Dutzend Meter unter der Straße.
Ted sah zum Himmel. Noch drei Stunden Büchsenlicht, schätzte er,
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