0281 - Die Höhlen des Schreckens
Ihre Jeans waren hier und da aufgeschrammt, der Pullover, der mindestens zwei Nummern zu klein war und ihre aufregenden Körperformen gut zur Geltung brachte, sah auch nicht mehr sonderlich gut erhalten aus. Aber außer ein paar Schrammen hatte sie nichts abbekommen.
Sie sah wieder nach oben. Da kam sie mit ihrem glatten Schuhwerk nicht wieder hinauf. Eher bestand die Gefahr, daß sie abermals ins Rutschen geriet und diesmal nicht von einem Baum aufgefangen wurde.
Was sollte sie tun?
Es hatte keinen Sinn, in Panik zu verfallen. Sie beherrschte sich, sah sich um. Ein schmaler Pfad führte just hier am Hang vorbei, schmal und halsbrecherisch. Und er sah auch nicht so aus, als sei er von jemand anderem als ein paar Tieren benutzt worden. Wahrscheinlich wagte sich hier nicht einmal der Alm-Öhi hinauf. Aber wenn sie hier weg kommen wollte, mußte sie es versuchen. Der schmale Pfad war ihre einzige Chance.
Vorsichtig löste sich das Mädchen von dem haltenden Baum, von dem wohl nur die Götter und Berggeister wußten, warum er ausgerechnet hier rettend wuchs, und balancierte auf der schmalen Kante entlang. Ein Fehltritt, und ihre rasante Talfahrt nahm ihren vielleicht tödlichen Fortgang.
Erfreulicherweise war es noch recht hell. Bei Dunkelheit hätte sie sich diese Art Bergwanderung mit Sicherheit nicht zugetraut.
Nach ein paar Metern führte der schmale Risiko-Pfad um eine Felsnase herum. Dahinter befand sich plötzlich eine Plattform. Breit genug, um auszuruhen. Und hinter dieser Plattform führte ein Höhleneingang ins Innere des Berges.
Anja Feld pfiff durch die Zähne. Plötzlich bekam ihre Rutschpartie einen romantisch-geheimnisvollen Anstrich. Für Höhlen und deren eventuellen Inhalt hatte sie sich schon immer interessiert. Die Fantasie ging mit der Dreiundzwanzigjährigen durch. Vielleicht befand sich in dieser Höhle ein Räuberschatz? Man konnte ja nie wissen, was sich im Mittelalter hier in den südtiroler Bergen alles abgespielt hatte…
Sie bedauerte, keine Taschenlampe bei sich zu haben. Aber vielleicht tat’s ja auch ihr Feuerzeug. Die Abenteuerlust überkam sie. Sie knipste die Flamme an und drang in die Höhle ein. Hinter dem gut eineinhalb Meter hohen Eingang erweiterte sie sich erheblich. Vor Anja erstreckte sich ein kleiner Felsendom, gut dreißig Meter durchmessend. Und dahinter…
»Ich werd’ verrückt«, murmelte sie. »Das gibt’s doch gar nicht.«
Ihr genau gegenüber, am anderen Ende der Höhle, sah sie eine große Stahltür, die im Licht der Flamme blauviolett schimmerte.
Wie kam diese Tür in den Fels? War Anja etwa auf einen verborgenen Bunker gestoßen, tief in den Berg gebaut und hier mit einem Not- oder Lüftungsausgang versehen?
Möglich war alles. Woher sollte sie’s wissen? Sie war ja erst ein paar Tage hier in der Gegend, und über Atombunker und dergleichen sprach man normalerweise ja nicht.
Langsam ging Anja Feld auf die blauviolette Stahltür zu. Es gab nirgends einen Griff oder einen Schalter. Suchend ließ sie ihre Hand über das kühle, glatte Metall gleiten. Und offenbar löste die Wärme ihrer Hand eine Schaltung aus.
Die stählerne Tür im Fels öffnete sich geräuschlos…
***
Über Beaminster Cottage lachte Südenglands Sonne und strafte alle diejenigen Lügen, die behaupteten, England sei eine Nebelinsel, die eigentlich überdacht und geheizt werden müsse, um das Leben einigermaßen erträglich zu machen. Warm war es auch. Der Sommer zeigte sich in all seiner Pracht. Zamorra saß mit offenem Hemd im kleinen Gärtchen hinter dem Landhaus und nippte am Guinness. Auf dem niedrigen Tisch stand das Faß, welches Brody, Stephan Möbius’ derzeitiger »Sonderbeauftragter«, hatte beschaffen müssen. Stephan Möbius selbst, der alte Haudegen und Konzernboß, gab sich in Weste und Krawatte wesentlich vornehmer, hatte den Zivilisationsstick aber auf Halbmast gesetzt und den Kragen geöffnet. Nicole Duval, Zamorras Sekretärin, Geliebte, Kampfgefährtin und Zusatzgedächtnis, zeigte im geblümten Mini-Kleid, wie endlos lang ihre schlanken Beine waren.
Möbius prostete beiden herzlich zu. Das Guinness vom Faß war kühl, schmeckte und würde trotz der Sommertemperaturen auch noch eine Weile kühl bleiben, weil es vorher stundenlang in einer Eispackung gelegen hatte.
»Auf die Zukunft«, brachte der alte Möbius hervor.
Zamorra lächelte, stieß mit Nicole und Möbius erneut an und trank. Dann beugte er sich zur Seite, um Nicole zu küssen.
»Eh, du riechst
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