03 - Feuer der Liebe
Kapitel 1
St. James's Square, London 18O6
Soeben hatte das Schicksal Viscount
Dewland einen Schlag versetzt, der einen schwächeren — und sensibleren — Mann
nieder geschmettert hätte. Dewland starrte seinen älteren Sohn einen Moment
lang schweigend an, ohne dem aufgeregten Geplapper seiner Gattin Beachtung zu
schenken. Dann kam ihm jedoch ein aufmunternder Gedanke: Besagte Gattin hatte
ihm schließlich zwei männliche Nachkommen geschenkt.
Ohne Vorwarnung wirbelte er herum
und richtete barsch das Wort an seinen jüngsten Sohn. »Wenn dein Bruder im Bett
seine Pflicht nicht erfüllen kann, dann musst du das übernehmen. Jetzt kannst
du einmal in deinem Leben wie ein Mann handeln.«
Peter Dewland traf dieser plötzliche
Angriff seines Vaters völlig unerwartet. Er hatte sich erhoben, um sich im
Spiegel des Salons die Halsbinde zu richten, vor allem aber, um auf diese
Weise dem Blick seines Bruders auszuweichen. Was konnte man auf solch ein
Geständnis noch erwidern? Aber wie sein Vater erholte sich auch Peter schnell
von unerwarteten Attacken.
Er ging um den Diwan herum und nahm
darauf Platz. »Du schlägst also vor, dass ich Jerninghams Tochter heirate?«
»Natürlich!«, fuhr ihn der Viscount
an. »Jemand muss sie heiraten, und dein Bruder hat gerade erklärt, dass er
dazu nicht in der Lage ist.»
»Da bin ich aber ganz anderer
Meinung«, erwiderte Peter kühl und voller Widerwillen. »Ich habe nicht die
Absicht, mich zu verheiraten, nur weil es dir gerade in den Sinn kommt.«
»Was zum Teufel soll das heißen?
Natürlich wirst du das Mädchen heiraten, wenn ich es dir befehle!«
»Ich habe nicht die Absicht zu
heiraten, Vater. Weder auf dein Drängen hin noch auf das eines anderen.«
»Unsinn! Jeder Mann heiratet
irgendwann.«
Peter seufzte. »Das ist nicht wahr.«
»Du hast jedem Mädchen, das in den
letzten sechs Jahren auf dem Heiratsmarkt aufgetaucht ist, den Hof gemacht.
Wenn du eine echte Zuneigung gefasst hättest, würde ich dir nicht im Weg
stehen. Aber du hast keinerlei Anstalten gemacht, dich zu binden. Deshalb
wirst du das Mädchen von Jerningham heiraten. Und du wirst tun, was ich dir
sage, mein Junge«, wetterte der Viscount weiter. »Dein Bruder ist der Sache
nicht gewachsen, also musst du sie übernehmen. Ich war sowieso sehr nachsichtig
mit dir. Du könntest längst im Siebten Infanterieregiment dienen. Hast du
darüber schon einmal nachgedacht?«
»Ich würde eher zwei Regimentern
beitreten als mich zu vermählen«, erwiderte Peter.
»Das kommt gar nicht in Frage!« Der
Protest seines Vaters stand vollkommen im Widerspruch zu seiner vorigen Bemerkung.
»Dein Bruder steht seit Jahren an der Schwelle des Todes.«
Eine unheilvolle Stille senkte sich
über den Salon. Peter blickte zu seinem älteren Bruder hinüber, dessen
muskulöser Körper Zeugnis von seinem ausgezeichneten Gesundheitszustand ablegte,
und schnitt eine Grimasse.
Erskine Dewland, der nachdenklich
seine polierten Schaftstiefel betrachtet hatte, schaute unter schweren Lidern
zu seinem Vater auf. »Wenn Peter entschlossen ist, sich nicht zu verheiraten,
dann nehme ich sie eben«, unterbrach seine tiefe Stimme die Stille.
»Und was hat das für einen Sinn? Du
kannst die Sache nicht ordentlich erledigen, und ich vermähle Jerninghams
Tochter nicht mit einem ... einem ... in diesem Fall habe ich meine Prinzipien.
Das Mädchen hat ein Recht auf einen gesunden Ehemann, verdammt noch mal.«
Quill — so wurde Erskine von seinen
Freunden genannt — setzte zu einer Erwiderung an, doch dann überlegte er es
sich anders. Er konnte die Ehe zwar vollziehen, aber es würde keine sehr angenehme
Erfahrung sein. Eine Frau verdiente eine bessere Ehe, als er ihr bieten konnte.
Er hatte sich mit seinen Verletzungen abgefunden, besonders jetzt, da sie ihn
in seiner Bewegungsfreiheit nicht weiter behinderten. Die drei Tage lang
andauernde Migräne, die nach rhythmischen Bewegungen folgte, machte die
Aussicht auf eheliches Glück jedoch eher unwahrscheinlich.
»Da musst du mir wohl Recht geben,
was?« Der Viscount blickte seinen Ältesten triumphierend an. »Ich bin kein
Betrüger, der dich fälschlicherweise als intakte Ware ausgibt. Natürlich
könnten wir das tun. Die Kleine würde die Wahrheit erst erfahren, wenn es zu
spät ist, und ihr Vater ist offensichtlich auch nicht mehr bei Sinnen, wenn er
sie nicht einmal hierher begleitet. Aber der Punkt ist der«, fuhr Dewland fort
und wandte sich wieder an seinen Jüngsten, »das
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