04 - Winnetou IV
nicht aufzufinden vermochte.“
„Welche, Sir?“
„Den ‚Nugget-tsil‘ und das ‚Dunkle Wasser‘, in welchem Santer sein wohlverdientes Ende fand. Werdet Ihr vielleicht auf Eurer jetzigen Reise an diese Stellen kommen?“
„Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber ich höre, daß Ihr schon wieder so überflüssige Fragen bringt, anstatt mir zu sagen, was Ihr wollt – – –!“
Ich machte Miene, wiederaufzustehen.
„Bleibt sitzen, bleibt sitzen!“ rief er schnell. „Ich bin ja sofort wieder bei der Sache, oder vielmehr, ich habe mich von ihr noch gar nicht entfernt. Ich wollte Euch nur zeigen, daß ich Eure Bücher geprüft und der Übersetzung in die englische Sprache für wert gefunden habe.“
„Geprüft? Dazu gehören lange Jahre!“
„Haben es auch, haben es auch!“ nickte er eifrig, ohne zu bemerken, daß jetzt ich der Anschleichende war. „Es hat eine sehr lange Zeit gedauert, ehe ich alle die Orte berühren konnte, um die es sich da handelte.“
„Vertrug sich das mit Eurem Geschäft?“
„Gewiß, gewiß. Wir hatten damals ein Grossogeschäft in Pferden, Rindern, Schweinen und Schafen und trieben uns bei unseren Einkäufen sehr viel im alten Westen herum.“
„Ihr sagt ‚wir‘. Also Kompagnons?“
„Ja, aber keine Fremden, sondern brüderliche Kompagnie. Wir waren fünf Brüder, sind aber jetzt nur noch zwei. Auch noch Kompagniegeschäft, aber nicht in Pferden und Rindern, sondern in Büchern. Wir wollen Euch Eueren ‚Winnetou‘ abkaufen – – –“
„Nur ihn?“ fiel ich ihm in die Rede.
„Ja, nur ihn“, erwiderte er.
„Warum nicht auch die andern Bücher, die doch auch Reiseerzählungen sind?“
„Weil sie uns nicht interessieren.“
„Ich denke, es kommt hierbei mehr darauf an, was die Leser interessiert?“
„Mag sein; bei uns aber ist das anders. Wir wollen nur den Winnetou, weiter nichts.“
„Hm! Wie denkt Ihr Euch dieses Geschäft?“
„Sehr einfach: Ihr verkauft ihn uns mit allen Rechten, ein für allemal, und wir bezahlen ihn Euch ein für allemal.“
„Wann geschieht diese Zahlung?“
„Sofort. Ich bin imstande, Euch eine Anweisung an jede Euch beliebige Bank zu geben. Wieviel verlangt Ihr?“
„Wieviel bietet Ihr?“
„Je nachdem! Wir dürfen drucken, so viel wir wollen?“
„Wenn wir einig werden, ja.“
„Oder auch so wenig wir sollen?“
„Nein.“
„Wie? Was? Nicht?“
„Nein! Natürlich nicht!“
„Wieso? Warum?“
„Ich schreibe meine Bücher, damit sie gelesen werden, nicht aber damit sie verschwinden.“
„Verschwinden?“ fragte er unter einer Bewegung der Überraschung. „Wer hat Euch gesagt, daß sie verschwinden sollen?“
„Gesagt wurde es allerdings noch nicht; aber Ihr erwähntet doch, daß auch so wenig gedruckt werden darf, wie Euch beliebt.“
„Ganz natürlich. Wenn wir sähen, daß die Bücher im Englischen keinen Anklag fänden, so würden wir eben darauf verzichten, sie zu drucken. Das versteht sich doch wohl von selbst!“
„Ist das Euer Ernst?“
„Ja.“
„Sagt, hat Eure Reise nach Deutschland noch andere Zwecke?“
„Nein. Ich habe keinen Grund, Euch zu verheimlichen, daß ich nur dieser Eurer drei Bücher wegen herübergekommen bin.“
„So tut es mir leid, daß Ihr diese Reise so ganz umsonst gemacht habt. Ihr bekommt die Bücher nicht.“
Ich war während dieser Worte aufgestanden. Auch er erhob sich von seinem Stuhl. Er war nicht imstande, die völlig unerwartete, große Enttäuschung zu verbergen, die ihn ergriff. Sein Blick wurde ängstlich, und seine Stimme vibrierte, als er fragte:
„Verstehe ich Euch da recht, Sir? Ihr wollt den ‚Winnetou‘ nicht verkaufen?“
„Wenigstens nicht an Euch. Ich gebe meine Bücher nicht einzeln zur Übersetzung. Wer eins oder nur einige wünscht, der ist gezwungen, sie alle zu nehmen.“
„Aber wenn ich Euch nun für diese drei Bände so viel zahle, wie Ihr für alle verlangt?!“
„Auch dann nicht.“
„Seid Ihr denn gar so reich, Mr. May?“
„Nein, keineswegs. Von Reichtum ist bei mir keine Rede. Ich habe nicht als mein gutes, für mich und meine Zwecke grad so zureichendes Auskommen, mehr nicht. Aber das genügt mir vollständig. Und wenn Ihr meine Erzählung ‚Winnetou‘ wirklich kennt, so wißt Ihr, daß ich überhaupt nicht nach Reichtum trachte, sondern nach höherstehenden, wertvolleren Gütern, mit denen ich meine Leser erfreuen und segnen will. Dazu ist notwendig, daß meine Bücher den richtigen Verleger
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