041 - Der Satanskult
akzeptieren.«
»Der Verstand macht den Menschen unglücklich«, behauptete Betsy. »Der Mensch braucht auch was fürs Herz, braucht Gefühle, verstehst du? Stell dir mal deinen Mann vor, Kleines. Der schuftet doch wie irre, oder? Für ihn gibt es doch nur seinen Beruf. Darüber vergisst er sogar dich. Und nun macht man solch einem Menschen ein echtes Angebot. Er hat endlich mal die Möglichkeit, auf den ganzen Stress zu pfeifen, kann sich geben, wie er will. Das, was man uns für Sünde verkauft hat, existiert plötzlich nicht mehr. Wir leben in Freiheit, die unser Orden und Satan garantieren.«
»Da ist etwas dran«, fand Jean.
»Unsere Grenzen sind doch verflixt eng abgesteckt«, sprach Betsy begeistert weiter. »Überall Verbote und Barrieren. Unser Orden aber macht uns wieder frei. Wir stoßen in völlig neue Bereiche vor, von denen unser Unterbewusstsein gerade noch zu träumen wagte. Sünde macht frei – bewusst begangene Sünde, Schätzchen. Das ist die Lösung für unser Dilemma.«
»Du kennst dich aus, Betsy«, antwortete Jean vorsichtig.
»Dir wird es bald auch so gehen, Jean. Du fängst ja gerade erst an.«
»Seit wann gehörst du zum Orden?«
»Seit einem Vierteljahr. Ich bin durch eine Bibliothekarin auf den Orden gekommen. Sie weckte bei mir das Interesse für entsprechende Bücher.«
»Bist du glücklich?«
»Wahnsinnig«, sagte Betsy und wurde sich der Doppelbedeutung dieses Wortes wohl gar nicht bewusst.
Monty Cooke kam aus der Bibliothek der Villa und nickte Sullivan zu. Er machte einen etwas erschöpften Eindruck, lächelte aber, als er sich in einen Sessel fallen ließ.
»Hat es geklappt?«, erkundigte sich der Puppenmann.
»Ich liege drauf«, gab Cooke zurück. »Haargenau. Ich kenne jetzt jede Nuance.«
»Und Sie werden sie jederzeit reproduzieren können?«, wollte Sullivan wissen.
»Jederzeit. Dafür verbürge ich mich.«
»Dann ist das Problem gelöst«, meinte Sullivan aufatmend. »Fairerweise wiederhole ich noch einmal, Cooke, dass wir uns in Lebensgefahr begeben werden. Noch können Sie den Rückzug antreten.«
»Ausgeschlossen«, antwortete Cooke wie selbstverständlich. »Ich habe am eigenen Leibe erlebt, was aus einem Menschen wird, wenn er sich diesem Kult ausliefert. Ich werde mithelfen, ihn hochgehen zu lassen.«
»Jetzt dürfte ich an der Reihe sein«, schaltete sich der Puppenmann ein. »Befassen Sie sich jetzt mal mit mir, Cooke!«
Monty lächelte. Er hatte den Puppenmann sofort in sein Herz geschlossen, denn mit Puppen und Marionetten wusste er umzugehen. Er stand auf, holte eine der Puppen, die Cohen aus der Varietegarderobe besorgt hatte, und stülpte sie über Chapman. Der frühere Service-Agent verschwand unter dem Umhang der Puppe, von der Cooke den Kopf entfernt hatte.
Die Illusion war perfekt. Chapman war zu einer echten Puppe geworden, wie Monty Cooke sie für seine Bühnennummer verwendete.
»Bin ich zu schwer?«, erkundigte sich Chapman.
»Überhaupt nicht«, sagte Monty Cooke, der ihn in die Hand genommen hatte.
»Ihr Gesicht müsste man natürlich noch entsprechend zurechtmachen«, sagte Sullivan, der ihm prüfend musterte. »Aber sonst … sagenhaft gut!«
»Phillip kann das übernehmen«, bat Chapman und bewegte seinen Unterkiefer betont wie eine echte Puppe. Dazu machte er etwas eckige Bewegungen.
»Perfekt!« Sullivan freute sich.
»Verteilen wir unsere Rollen«, sagte Chapman, nachdem Monty ihn vorsichtig zurück in einen Sessel hatte gleiten lassen. »Marvin Cohen ist bereits mit seiner Bekannten unterwegs. Ich werde mit Cooke in die Kirche gehen, aber was ist mit Ihnen, Sullivan? Wollen Sie sich als Satansdiener verkleiden?«
»Ich werde Coco ablenken, also unverkleidet erscheinen«, erklärte Sullivan. »Ich rechne damit, dass Coco sich auf mich konzentriert. Dadurch bekommen Sie größeren Spielraum.«
Während die drei Männer weitere Einzelheiten besprachen, piepste das kleine Funksprechgerät in Sullivans Brusttasche. Sullivan fragte vorsichtig zurück und hörte von Marvin Cohen das ersehnte Stichwort, das letzte Klarheit brachte.
»Die Dorfkirche«, sagte er zu Monty Cooke und Chapman. »Seine Bekannte hat eben das Ziel genannt. Die schwarze Messe wird in der Dorfkirche stattfinden. Zeit für uns, meine Herren.«
Marvin Cohen stand neben seiner Freundin Rose Jamin und sah sich neugierig in der Kirche um, die er ja bereits kannte. Von der schlichten und ergreifenden Einrichtung war nichts mehr übriggeblieben. Pompöser
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