0421 - Willkommen im Fegefeuer
diese Plattform. Sie stach wie ein Hals aus dem Feuer hervor. Sie war leer, aber später nicht mehr.«
»War sie besetzt?«
»Sicher.« Carol senkte den Blick. Sie begann zu weinen, weil die Erinnerung sie überwältigte. »Ein junges Mädchen, noch jünger als ich. Es… es war eine Farbige. Sie hatteschreckliche Angst und schrie wie am Spieß. Sie wurde in das Feuer geholt. Die Flammen und die Krallen griffen nach ihr …«
Suko wartete, bis sich das Mädchen beruhigt hatte. Aber er holte keine weiteren Auskünfte mehr aus ihm heraus. Wahrscheinlich wollte Carol nicht mehr reden.
»Dann wissen Sie nichts mehr?« fragte der Inspektor.
»Nein, ich konnte einfach nicht hinsehen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Es war grauenhaft, ich bin geflüchtet.«
»Hat Ihr Vater sich die Filme oder den Film weiterhin angesehen?«
»Ich weiß es nicht genau.«
»Aber dann wollte er damit nichts mehr zu tun haben, wenn ich Sie recht verstanden habe.«
Das Mädchen holte ein Taschentuch hervor und schneuzte sich.
Suko hatte einen Augenblick Zeit, seine Überlegungen anzustellen.
Daß er und John so schnell wieder auf eine Spur Baphomets stoßen würden, damit hatte er nicht gerechnet. Aber es schien sich einiges zu verdichten. Die Fährte war heiß, sie durften sie keinesfalls erkalten lassen, und Suko blieb am Ball.
»Kommen wir noch einmal auf Ihren Vater zurück«, sagte er, als Carol ihr Taschentuch weggesteckt hatte. »Er wollte also aussteigen und hat Ihnen die Gründe nicht genannt.«
»Das konnte er wohl nicht. Wahrscheinlich ist auch er geschockt gewesen. Nur hat es gedauert. Er mußte sich einen Plan zurechtlegen, denn so einfach ist es wohl nicht, Baphomet zu entkommen. Er ist ungeheuer gefährlich, er besitzt Macht. Deshalb war Dad so vorsichtig.«
»Hatte er Verbindung mit den Templern aufgenommen?«
Carol Maynard verengte die Augen, als sie nachdachte. »Ich glaube, er hat mal davon gesprochen.«
»Nannte er auch Namen?«
»Keine Ahnung.«
»Bitte, überlegen Sie.«
Es dauerte eine Weile, bis Carol stotternd ein Wort hervorbrachte. Es hörte sich an, als würde sie von einem Abbé sprechen.
»Abbé Bloch vielleicht?«
»So kann es gewesen sein.«
»Und weiter.«
»Ich habe keine Ahnung mehr. Vielleicht hat er ihm sogar den Tip gegeben, sich an die Polizei zu wenden. Das ist alles möglich, aber ich bin mir da nicht sicher.«
Suko blies die Wangen auf, als er nickte. »Eine Frage hätte ich noch«, meinte er dann.
»Bitte.«
»Wie kommt es eigentlich, daß sich Ihr Vater mit John Sinclair treffen wollte und Sie zu mir kamen?«
»Das hat er so gewollt.«
»Wie das?«
»Er wollte eine Sicherung einbauen, denn er war der Ansicht, daß ich ebenfalls in Gefahr schwebte.«
»Da hatte er recht.«
»Meinen Sie, daß ich…?«
»Ja, wenn der Verrat Ihres Vaters von der anderen Seite zur Kenntnis genommen wurde, wird man auf Sie auch keine Rücksicht mehr nehmen. Aber ich werde versuchen, meinen Kollegen John Sinclair zu erreichen. Er treibt sich zwar auf einem alten Schrottplatz herum, doch sein Wagen hat einen Telefonanschluß.« Suko griff zum Hörer und tippte die Nummer ein.
Es tat sich nichts. Auch nach einem weiteren Versuch blieb die Leitung stumm. Achselzuckend legte der Chinese wieder auf.
»Und das beunruhigt Sie nicht?« fragte Carol leise.
»Nein, wieso?«
»Wenn sich Ihr Kollege nicht meldet…«
»Er kann ganz normal verhindert sein. Wahrscheinlich sitzt er nicht in seinem Wagen und redet mit Ihrem Vater.«
»Das glaube ich jetzt auch.«
Suko schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Wissen Sie, was wir jetzt machen?«
»Nein.«
»Wir fahren in die Wohnung Ihres Vaters.«
»Und was wollen Sie dort?«
»Ich habe mich schon immer für gewisse Filme interessiert…«
***
Derek Maynard, alias S. S. Grower, wohnte für einen Schriftsteller seiner Art standesgemäß. Im Norden von London hatte er ein altes Landhaus gefunden, das eine gewisse Ähnlichkeit mit einem kleinen Bauernhof aufwies, denn es hatte nur eine Etage, war mit einem schiefen Dach gedeckt worden, das weit überhing. Stützpfosten mußten es halten.
Der Weg zum Haus führte von der Straße her durch eine Wildnis.
Suko hatte auf seine Maschine verzichtet und sich einen Leihwagen genommen. Es war ein Honda.
Der Wagen schaukelte über achsentiefe Schlaglöcher. Die beiden Menschen wurden von einer Seite auf die andere geschleudert. Carol hielt sich am Haltegriff fest, ansonsten machte sie eine gute Figur,
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