Winterkaelte
1.
Helles Licht durchflutete den Raum. Die Wände waren mit grüner Farbe getüncht worden, doch die wirkte nicht mehr sonderlich frisch. Bilder von Blumen sollten eine gemütliche Atmosphäre erschaffen, doch das gelang ihnen nur teilweise, war doch der gesamte Raum mit Geräten vollgestellt.
Ein ständiges Piepsen, begleitet von einem Zischen und Knarzen füllte das Zimmer und gab den Anwesenden das Gefühl sich inmitten eines Organismus zu befinden, der von einer Dampfmaschine angetrieben wurde.
Doch nur eine Person war ständig hier drin. Ihm galten die ganzen Geräte und Schläuche. Sie erhielten ihn am Leben, überwachten seine Körperfunktionen und linderten seine Schmerzen.
Er konnte sich nicht an viel erinnern. Da war diese große, dunkle Gestalt. Dann nur noch Schmerz.
Doch halt.
Da war noch ein Mädchen. Sie rief seinen Namen.
Alexander.
War das sein Name?
Sein Kopf schmerzte, als wolle er zerspringen. Die Erinnerung kam nur langsam zurück. Ja, er war Alexander und das Mädchen, das Mädchen war Carolina.
Als wäre das ein Funke gewesen, der den abgesoffenen Motor startete, schlug Alexander die Augen auf. Mit einem Schrei fuhr er in die Höhe, doch er kam nicht weit, denn stechender Schmerz zwang ihn zurück auf sein unbequemes Bett.
»Scheiße«, hauchte er und erschrak ob seiner rauen Stimme.
Vor seinem Gesicht baumelte ein kleines Kästchen an einem Spiralkabel. Darauf war ein gelber Knopf. Es kostete Alexander unglaubliche Anstrengung um den Knopf überhaupt zu erreichen, doch schließlich schaffte er es ihn zu drücken.
Es dauerte nicht lange. Nach wenigen Augenblicken ging die Tür auf. Von Gang her blendeten ihn helle Lampen, die nur kurz von einem dunklen Körper abgedeckt wurden.
»Da ist jemand aufgewacht«, sagte eine freundliche weibliche Stimme, »Alles in Ordnung? Haben sie Schmerzen?«
»Nein«, stöhnte Alexander, »Nicht wirklich.«
»Gut, ich werde dann gleich den Arzt holen.«
»Was ist geschehen?«
»Die Einstiche waren tief, aber sie hatten Glück. Sie haben zwar viel Blut verloren, aber das wird schon. In ein paar Wochen sind sie hier raus«, sagte die Schwester und wandte sich um.
Alexander blickte ihrer schlanken Gestalt mit dem brombeerfarbenen Top und den grünen Hosen hinterher. Was war bloß geschehen?
Einstiche?
Welche Einstiche?
Er hatte es doch hoffentlich nicht schon wieder getan.
Alexander erforschte seine bruchstückhaften Erinnerungen. Nein, er war glücklich gewesen mit Kisha. Die Stimmungsschwankungen waren seltener geworden, seit er die Tabletten nahm.
Nein, das war es sicher nicht.
Das hoffte er zumindest.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern bis der Arzt endlich auftauchte. Er untersuchte ihn kurz und beschloss dann, dass man ihn nicht mehr auf der Intensivstation behalten musste und auf ein normales Zimmer verlegen konnte.
Auf Alexanders Fragen nach dem Geschehenen konnte er keine Antwort geben. Er sprach nur von mehreren Stichwunden, die allerdings alle lebenswichtigen Organe verfehlt hatten. Er hätte Glück im Unglück gehabt.
Doch Alexander konnte sich an das Geschehene nicht erinnern. Immer wieder zwang er sich selbst sich an die Augenblicke zu erinnern, doch meist trugen seine Bemühungen keine Früchte. Schließlich fiel ihm wenigstens etwas wieder ein. Da war Kisha und ein Anruf von Andrea. Genau, Carolina. Sie hatte irgendetwas vor, war verschwunden. Er hatte sie gesucht.
Damit war diese Erinnerung auch wieder zu Ende.
Man brachte ihn in ein normales Zimmer, wo ihn bereits zwei Polizeibeamte erwarteten. Sie waren freundlich und fragten ihn, ob er sich an etwas erinnern könnte, doch Alexander musste verneinen. Er wusste nichts mehr.
»Was ist passiert?«, fragte er sie, als sie bereits im Gehen begriffen waren.
»Den Zeugen zufolge haben sie im Park einen Vergewaltiger auf frischer Tat gestellt. Als sie ihn von seinem Opfer zerren wollten, hat der auf sie eingestochen.«
Alexander schüttelte den Kopf. Das kam ihm alles nicht bekannt vor.
»Wir haben den Kerl schließlich erwischt. Er hat sich mit den Kampfwunden hier im Krankenhaus gemeldet. Da mussten wir ihn nur abholen. Nach einer Nacht in der Zelle hat er alles gestanden. Dennoch müssen wir alle Beteiligten befragen.«
Alexander nickte schwach. Er fühlte sich müde und ausgelaugt.
Die Polizisten verabschiedeten sich und er blieb alleine in dem dunklen Zimmer zurück.
Die Nacht war hart, Alexander hatte kaum geschlafen. Er hatte immer wieder denselben Albtraum, doch
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