043 - Der Mann von Marokko
Ende.
»Es klang fast so«, erwiderte Hamon und fuhr aus seinen unangenehmen Gedanken auf.
»Im Oktober sind Gewitter sehr selten«, meinte der Lord. »Ich kann mich daran erinnern, als ich noch ein Junge war . . .«
Er machte einen schwachen Versuch, die andern durch eine Geschichte zu unterhalten, die jedoch niemand fesselte. Er schien es auch zu fühlen und brach bald ab. Aber dann brachte er das Gespräch plötzlich auf ein Thema, das seine beiden Tischgenossen in hohem Maße interessierte.
»Ich habe Stephens nach diesem Morlake gefragt. Ein merkwürdiger Mensch. Niemand weiß auch nur das Geringste über ihn. Vor drei Jahren kam er von irgendwoher, kaufte Wold House und ließ sich hier als Gutsbesitzer nieder. Er beteiligt sich an keiner Jagd, keinem Ball, lehnt alle Einladungen ab, die ihm geschickt werden, und hat offenbar weder Bekannte noch Freunde. Ein ganz eigentümlicher Kerl!«
»Das kann ich nur bestätigen!«
Mr. Hamon lachte laut, und Joan sah ihn erstaunt an.
»Kennen Sie ihn denn?«
»Ziemlich genau - er ist ein amerikanischer Verbrecher!«
Joan versuchte vergeblich, ihre Erregung zu verbergen. Aber anscheinend übersah Hamon das Wohlwollen und die Sympathie, die der Besitzer von Wold House hier genoß. Er freute sich über das Aufsehen, das seine Worte hervorriefen.
»Ja, er ist ein Verbrecher, einer der größten Geldschrankknacker und Erpresser! Wie er in Wirklichkeit heißt, weiß ich nicht.«
»Aber dann ist die Polizei doch sicher über ihn informiert«, meinte Lord Creith verwundert.
»Das mag sein, aber ein Mann wie Morlake, der so viel Geld hat, braucht die Polizei nicht zu fürchten.« Joan hatte bis jetzt sprachlos zugehört.
»Woher wollen Sie denn das alles wissen?« fragte sie, als sie ihre Stimme wieder beherrschte. Hamon zuckte die Schultern.
»Vor einigen Jahren bin ich einmal mit ihm aneinandergeraten. Er dachte, er habe etwas entdeckt, was ihm eine gewisse Macht über mich gebe, und versuchte, mich zu erpressen. Er entkam nur mit genauer Not. Das nächstemal wird es ihm nicht glücken! Und das nächstemal -« er öffnete und schloß die Hand, als ob er jemand erwürgen wollte »- wird recht bald kommen! Ich habe ihn in meiner Gewalt.«
Joan haßte Ralph Hamon in diesem Augenblick über alle Maßen, obwohl er sie eigentlich nicht beleidigt hatte.
»Ich sagte schon, daß ich nicht weiß, wie er in Wirklichkeit heißt. Die Polizei beobachtet ihn seit Jahren, aber sie hat noch nie genügend Material gegen ihn sammeln können, um ihn vor Gericht zu bringen.«
»Ich habe aber noch nie etwas davon erfahren«, unterbrach ihn Lord Creith, »und ich bin doch hier der Ortsvorstand. Die hiesige Polizei hat nichts gegen ihn, im Gegenteil, man spricht ganz gut von Mr. Morlake.«
»Als ich eben die Polizei erwähnte, meinte ich damit Scotland Yard in London, und die Leute dort reden natürlich nicht darüber.«
»Ich kann das alles nicht glauben!« Joans lange unterdrückte Entrüstung kaum zum Durchbruch. »Wahrscheinlich haben Sie irgendwelche Schauergeschichten gehört, die Ihre Phantasie jetzt verwirren!«
Hamon lächelte.
»Ich gebe zu, daß es recht unglaubhaft klingt, aber es ist die volle Wahrheit. Ich habe Morlake erst heute morgen gesprochen. Er war auf das unangenehmste überrascht, als er mich sah, das kann ich Ihnen sagen. Am meisten schien er sich darüber zu ärgern, daß ich ihn wiedererkannte. Er bat mich auch händeringend, es niemand zu erzählen .«
»Das ist nicht wahr! Unter keinen Umständen kann das stimmen!« erklärte Joan zornig. »Mr. Morlake ist der letzte, der einen anderen um etwas bitten würde. Ich glaube auch nicht, daß er ein Dieb ist.«
»Ist er denn Ihr Freund?«
»Ich bin ihm noch nie begegnet.«
Ein verlegenes Schweigen trat ein, aber Ralph Hamon hatte ein dickes Fell. Obwohl sie ihm auf den Kopf zusagte, daß er log, fühlte er sich nicht im mindesten verletzt.
Als sich Lord Creith in sein Zimmer zurückgezogen hatte, ging Joan hinaus, um die aufflammenden Blitze am südlichen Himmel zu beobachten. Sie wollte allein sein, doch Hamon folgte ihr.
»Es sieht so aus, als ob wir eine stürmische Nacht bekämen«, meinte er, um eine Unterhaltung zu beginnen.
Sie gab ihm recht und wollte wieder ins Haus zurückkehren, aber er hielt sie an.
»Wo haben Sie denn die Bekanntschaft der Dame gemacht, die dort drüben wohnt?«
»Sprechen Sie etwa von Mrs. Cornford? Ist sie vielleicht auch eine Verbrecherin?« fragte sie scharf.
Er
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