0471 - Im Bann der Hexe
denn schon so, wie er war? Da waren immer Hohn und Spott ob seiner absonderlichen Erscheinung. Allenfalls jener Professor Zamorra würde sich vielleicht seiner annehmen. Dazu mußte Zamorra aber erst einmal wissen, wo er den Gnom finden konnte.
Es war alles so sinnlos geworden.
»Vielleicht ist ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende«, flüsterte er. Das Gift schien schmerzlos zu wirken. Immerhin klagten weder das Mädchen noch der Grande über Schmerzen. Es schien alles auf ein allmähliches Einschlafen hinzudeuten. Fatalistisch griff der Gnom nach dem Weinglas mit dem Honig darin und wollte es gerade an die Lippen führen, als er fremde Magie zu spüren glaubte. Es war kein direkter Hinweis, eher nur eine schwache Ahnung, daß sich eine fremde Kraft mit dem Honig befaßte. Jemand, der sich so oft mit Zauberei befaßte wie er, entwickelte eine Art inneren Antenne für magische Einwirkungen.
Und… wurde die goldgelbe Substanz im Glas nicht plötzlich weniger?
Verblüfft beobachtete der Gnom das Phänomen.
Die zähflüssige, so verlockend duftende Masse verringerte sich tatsächlich! Gerade so, als mache sich jemand intensiv daran zu schaffen!
Dafür mußte es einen Grund geben. Keinesfalls löste sich der Honig von selbst auf. Der Gnom nahm aber auch nicht an, daß es hier jemanden gab, der ihn daran hindern wollte, sich damit selbst zu vergiften. Alles, was er bislang in dieser Burg erlebt hatte, sprach gegen eine solche Menschenfreundlichkeit.
Der Verwachsene preßte die Lippen zusammen. Tatsächlich, der Honig schwand dahin!
Zorn packte ihn. Ihm kam es so vor, als würde sich jemand über ihn lustig machen und gönnte ihm diese klebrige Süßigkeit einfach nicht, die er noch einmal hatte genießen wollen, damit sein Abgang aus der Welt der Sterblichen sich wenigstens lohnte und ihm leichter fiel.
Ein fremder Zauber wirkte…
Woher kam er?
Der Gnom setzte das Glas ab. Aus den Augenwinkeln registrierte er, daß Don Cristofero ihn beobachtete, obgleich es dem Grande schwer fiel, die Augen zu öffnen. In diesen Augen las der Gnom eine unausgesprochene Frage.
»Herr, jemand wendet Magie an!« stieß er hervor. »Vielleicht ist's diese blaßhäutige Frau, nur verstehe ich nicht, warum sie das tut, statt uns nun einfach dahinsterben zu lassen…«
»Sadismus«, murmelte Don Cristofero mit schwerer Zunge, als sei er betrunken.
Im gleichen Moment zerplatzte das Glas unmittelbar vor dem Gnom. Nur noch geringe Honigreste klebten an den Scherben. Statt dessen nahm der Schwund plötzlich an der Schokolade auf dem Teppich seinen Fortgang…
»Nein!« schrie der Gnom auf. »Das geht zu weit!«
Trotz seiner Erschöpfung versuchte er einen Gegenzauber zu wirken.
In diesem Moment stürmte jemand recht ungestüm zur Tür herein…
***
Aus seinem Versteck heraus wurde der familiaris aktiv und begann zunächst den Honig aufzulösen, weil der Gnom drauf und dran war, sich daran zu vergreifen. Durch das Naschen brauchte er sich gar nicht erst gegen die noch im Wein und in den Speisen befindlichen Gifte zu immunisieren! Aus der Reaktion des Schwarzhäutigen ersah der Höllenknecht, daß der Gnom durchaus etwas von seiner Magie bemerkte. Da beschleunigte der familiaris den Vorgang etwas, ließ das Glas zerplatzen. Den Honig - und auch die Schokolade - aufzulösen, fiel ihm nicht so leicht, wie er gehofft hatte. Es war leichter gewesen, das Gift herzuzaubern. Jetzt war störend im Wege, daß der Gnom die Stoffe transmutiert hatte. Darauf konnte der familiaris sich nicht so leicht einstellen.
Aber er schaffte es, zumindest den Honig verschwinden zu lassen. Als er sich jedoch der Schokolade zuwandte, spürte er plötzlich die unmittelbare Nähe einer sehr starken fremden Magie.
Sie besaß eine entfernte Ähnlichkeit mit jener, die das außerhalb der Burg befindliche Tor geöffnet hatte, und auf die auch der Zauber des Gnoms eingewirkt hatte. Der familiaris schaffte es gerade noch, seinen Zauber abzubrechen und sich zurückzuziehen, da ging das Bild an der Wand, hinter welchem sich sein geheimer Beobachtungsposten befand, in Flammen auf und spie silberne Feuerblitze nach allen Richtungen.
So hastig, wie es ihm nur eben möglich war, zog der familiaris sich zurück.
Die Situation hatte sich grundlegend zu seinen Ungunsten verändert. Die fremden Eindringlinge waren Weißmagier!
Todfeinde…
***
Zamorra sah die Bewegung, mit der die blaßhäutige Frau in dem sehr tief dekolletierten Gewand einen
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