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062 - John Flack

062 - John Flack

Titel: 062 - John Flack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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für seinen Lebensunterhalt arbeiten muß, so vertraut ist, daß sie unter gewöhnlichen Umständen keinen zweiten Gedanken an ihn verschwendet haben würde. Heute morgen jedoch war er ihr bis zum Bahnhof gefolgt und hatte sicher gehört, wie sie ihrer Begleiterin sagte, sie würde mit dem 6.15-Zug zurückkommen.
    Ein Schutzmann würde kurzen Prozeß mit ihm machen - falls sie sich den Unannehmlichkeiten eines öffentlichen Skandals aussetzen wollte. Aber jedes noch so tatkräftige Mädchen schreckt vor einer derartig peinlichen Szene zurück, und so mußte sie eben diese Angelegenheit auf eigene Faust erledigen. Das war keine angenehme Aussicht, und dies allein genügte, ihr einen sonst vielleicht netten und interessanten Nachmittag zu verderben. Und Mr. Reeder . . .
    Margaret Belman runzelte die Stirn. Sie war dreiundzwanzig Jahre alt und befand sich also in einem Alter, in dem man jüngere Männer manchmal recht langweilig findet. Andererseits sind aber Männer um fünfzig auch nicht besonders anziehend, und Mr. Reeders Bartkoteletten, die ihm das Aussehen eines schottischen Kellermeisters gaben, konnte sie schon gar nicht leiden. Er war ja zweifellos ein lieber Mensch . . .
    In diesem Augenblick lief der Zug in der Station ein, und sie befand sich schon auf dem überraschend kleinen Bahnhof in Siltbury, ehe sie sich noch im klaren war, ob sie in Mr. Reeder verliebt war oder sich nur über ihn geärgert hatte.
    Vor der Sperre stand ein gebrechliches Taxi, dessen Chauffeur sie zum Einsteigen aufforderte. Sie gab ihm die Adresse an, und nach einer kurzen Fahrt hielten sie vor einem engen Torweg.
    »Das ist der bequemste Weg für Sie, Miss! Mr. Davers Büro ist am Ende der Einfahrt.«
    Der Chauffeur war ein schlauer alter Mann, der schon so manche Bewerberin um einen Sekretärinnenposten nach Larmes Keep gefahren hatte, und er nahm an, daß diese hier, die niedlichste von allen, auch nicht als Gast kam. Erstens brachte sie kein Gepäck mit, und zweitens war der Fahrkartenkontrolleur hinter ihr hergelaufen, um ihr die versehentlich abgegebene Rückfahrkarte zurückzugeben.
    »Soll ich nicht lieber auf Sie warten, Miss . . .?«
    »Ach ja, bitte«, sagte Margaret Belman hastig, als sie aus dem altersschwachen Vehikel stieg.
    »Sind Sie bestellt?«
    Der Chauffeur war eine stadtbekannte Persönlichkeit und beanspruchte als solche gewisse Vorrechte.
    »Ich frage bloß, weil 'ne Masse junger Frauensleute nach Larmes Keep gekommen ist, ohne bestellt gewesen zu sein, und Mr. Daver wollte sie nicht empfangen. Die haben bloß die Anzeige 'rausgeschnitten und sind hergekommen. Aber in der Anzeige steht ›schriftliche Bewerbungen‹. Ich glaube, ich habe so ein Dutzend junger Frauensleute hierhergefahren, die nicht bestellt waren. Ich sage Ihnen das nur zu Ihrem eigenen Besten.«
    Das junge Mädchen lächelte.
    »Sie hätten das meinen Kolleginnen sagen sollen, bevor sie vom Bahnhof wegfuhren«, sagte sie gut gelaunt, »und hätten ihnen so die Kosten für ein Taxi ersparen können. Ja, ich bin bestellt.«
    Hier am Tor hatte sie einen guten Ausblick auf Larmes Keep. Es hatte keinerlei Ähnlichkeit mit einem Hotel und noch weniger mit einer besseren Pension, die es doch sein sollte. Der Teil des Hauses, der ursprünglich wohl ein Verlies gewesen war, war deutlich zu erkennen, obgleich die steilen, grauen Mauern hinter Efeu versteckt waren, der auch einen Teil des in späterer Zeit angebauten Gebäudes bedeckte.
    Sie schaute über eine glatte, grüne Grasfläche, auf der einige Rohrstühle und Tische standen, zu einem Rosengarten hinüber, der jetzt im Spätherbst noch in prächtigen Farben leuchtete. Dahinter befand sich ein Kranz von Fichten, der bis an den Rand der Klippen zu reichen schien.
    Sie sah ein Stückchen graublauer See und den leichten Rauchschleier eines Dampfers. Ein sanfter Wind trug den Duft der Blumen zu ihr, den sie entzückt einatmete.
    »Ist es hier nicht wundervoll?« Sie atmete tief.
    Der Chauffeur meinte, es wäre ›nicht schlecht‹ und deutete dann auf das Haus.
    »Gehen Sie zu dem kleinen Vorbau dort - erst vor ein paar Jahren angebaut. Mr. Daver ist mehr Schriftsteller als Pensionsinhaber.«
    Sie öffnete das eichene Tor und ging den Weg hinauf zum Allerheiligsten des schriftstellernden Pensionsbesitzers. Das unebene Pflaster wurde auf beiden Seiten von dichten Blumenbeeten eingefaßt. Der Anbau hatte ein hohes Fenster und eine schmale grüne Tür. Augenscheinlich war sie gesehen worden, denn die Tür

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