07 - komplett
sie aus den Augen zu lassen, verneigte er sich.
„Sind Ihre Geschäfte in dieser Gegend noch nicht erledigt?“
„Nein.“ Sein Lächeln vertiefte sich. „Aber ich fühle mich in der Hoffnung bestärkt, dass ich zu einer befriedigenden Lösung des Problems gelangen werde. Bemühen Sie Ihre Haushälterin nicht, ich finde allein hinaus.“
5. KAPITEL
„Ich weiß, das ist nicht die ganze Summe, die ich Ihnen schulde, Mr Carter. Aber ich verspreche Ihnen, ich werde den Rest möglichst bald bezahlen.“ Isabella legte einen kleinen Beutel mit sorgsam abgezählten Münzen auf den Schreibtisch, an dem sie dem Kaufmann in seinem Kontor gegenübersaß. „Wegen einiger unvorhergesehener Ausgaben bin ich mit den Zahlungen in Rückstand geraten. Nun rechne ich nicht mit weiteren Unkosten. Wenn ich Sie also noch einmal um Geduld bitten darf ...“
Als sie den Kopf hob, merkte sie, dass er nicht den Geldbeutel betrachtete, sondern ihr Gesicht. In seinen Augen erschien ein Ausdruck, den sie gut genug kannte. Vor allem war er ihr bei den Männern aufgefallen, die ihren Charakter – so wie sie es Guy Wakefield vorgeworfen hatte – nach ihren Reisen mit Wellingtons Heer beurteilten. Vielleicht hatte Mr Carter die Bezeichnung „Marketenderin“, die in einem gewissen Zusammenhang etwas anrüchig klang, noch nie gehört. Aber sein Blick verriet ziemlich beleidigende Gedanken.
„Gibt es ein Problem, Mr Carter?“
„Keineswegs, Mrs Stowe, es ist nur ...“ Der Ladenbesitzer verzog die wulstigen Lippen und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Dann schob er den Beutel über den Tisch zu Isabella hinüber. „Sie schulden mir nichts, Ma’am.“
„Gar nichts? Das muss ein Irrtum sein. Erst letzte Woche haben Sie mir eine Rechnung geschickt.“
„Wie Sie sagen, ein Irrtum. So was passiert im Geschäftsleben immer wieder.“
„Was für ein Irrtum?“
„Nun, wahrscheinlich wurden die Einkäufe eines anderen Kunden versehentlich auf Ihrem Konto notiert. Ich werde mit meinem Buchhalter reden, damit das nicht mehr vorkommt.“
„Moment mal, Mr Carter, Ihre Buchhaltung war stets korrekt. Und was auf der Rechnung vermerkt ist, habe ich gekauft. Ich glaube, ich habe sie bei mir ...“ Um das Dokument hervorzuholen, öffnete sie ihr Retikül.
„Bitte, bemühen Sie sich nicht, Mrs Stowe, alles ist in Ordnung.“
„In Ordnung?“ Sie umklammerte das Papier, das sie gefunden hatte, und starrte Mr Carter verblüfft an. „Das verstehe ich nicht.“
„Ihre Schulden wurden bezahlt, Mrs Stowe.“
„ Bezahlt ? Von wem?“
Der Händler zuckte die Achseln. „Von einem Gentleman, der anonym bleiben möchte.“
Schon wieder dieser Blick, den sie vorhin gesehen hatte – und der sie allmählich in Wut brachte ...
„Hören Sie, niemand außer mir ist berechtigt, meine Schulden zu begleichen!“
„Beruhigen Sie sich, Ma’am, sicher wollte Ihnen jemand einen Gefallen erweisen.
Soeben haben Sie unvorhergesehene Ausgaben erwähnt, und vielleicht versuchte ein Freund einer Dame, die er bewundert, das Leben ein bisschen zu erleichtern.
Wie in der Bibel betont wird ...“
„Bitte, verschonen Sie mich mit Bibelsprüchen! Wer hat meine Schulden bezahlt?“, verlangte Isabella zu erfahren und legte die Rechnung auf den Tisch. Erst vor wenigen Tagen hatte sie das Papier von dem Mann erhalten, der sie jetzt vielsagend musterte.
„Ich wurde angewiesen, den Namen zu verschweigen, denn – das sagte ich bereits –
der Gentleman will anonym bleiben.“
„Wie sah er aus?“ Noch bevor sie die Frage stellte, wusste sie Bescheid.
„Womöglich ein Verwandter? Welche Rolle spielt das schon?“
„Für mich eine sehr wichtige, Mr Carter. Wenn Sie so freundlich wären, meinen Wohltäter zu beschreiben ...“
„Ich musste ihm versprechen, nichts zu verraten. Darauf hat er ausdrücklich bestanden.“
„Gut gekleidet? Nicht aus dieser Gegend? Eventuell ein Londoner? Mit verblassten Brandnarben auf der rechten Wange?“
„Wie ich bereits erklärt habe – der Gentleman möchte nicht mit seiner edlen Tat in Verbindung gebracht werden.“ Ein salbungsvolles Lächeln erreichte Mr Carters Augen nur teilweise.
„Und Sie glauben zu wissen, warum? Darauf müssen Sie nicht antworten, Mr Carter.
Was Sie argwöhnen, ist offensichtlich.“ Isabella erhob sich und ergriff den kleinen Geldbeutel. Für sie versinnbildlichte er alles, worauf sie in den letzten Jahren verzichtet hatte, um ihre Unabhängigkeit und ihren Stolz zu
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