07 - komplett
KAPITEL
Soeben ist Post eingetroffen, Mylord, vielleicht die Antwort, auf die Sie gewartet haben.“
Rodgers’ Mitteilung verengte seine Kehle, was Guy sich nicht ganz erklären konnte.
Gewiss, er hatte eine Antwort auf eine Erkundigung erwartet. Doch er sah keinen Grund, diese würde die gewünschte Information enthalten – ebenso wenig wie seine zahlreichen anderen Anfragen in den letzten fünf Jahren.
„Würden Sie mir den Brief vorlesen, Rodgers?“ Zu Guys Erleichterung verriet seine Stimme nichts vom Aufruhr seiner Gefühle.
„Natürlich, Mylord.“ Nach einer kurzen Pause fügte der Butler hinzu: „Die Kerzen, Mylord. Wenn ich darf ...?“
„Ja, selbstverständlich.“ Guy wartete, bis Rodgers genug Kerzen angezündet hatte, um in ihrem Licht den Brief zu entziffern.
Bevor der Butler anfing zu lesen, räusperte er sich. Nur stockend kamen die komplizierten Wörter über seine Lippen, die einfachen umso schneller.
Im ersten Abschnitt des Schreibens würdigte Major Roland Abernathy in höflichen Worten Viscount Eastons militärische Leistungen. Dann bekundete er seine Hoffnung auf einen weiteren guten Gesundheitszustand Seiner Lordschaft. Erst im zweiten Absatz erwähnte er den Grund der Korrespondenz. Obwohl Rodgers ein wenig stotterte – die gewünschte Erklärung wurde überraschend schnell abgegeben.
Falls man nach fünf Jahren von „schnell“ sprechen konnte.
„‚Meines Wissens hielt sich während des Zeitraums, den Sie nannten, nur eine einzige Engländerin von gehobenem Stand in St Jean de Luz auf, Captain William Stowes Gemahlin Isabella. Allerdings weiß ich nicht, ob sie die Dame ist, die Sie suchen. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass Mrs Stowe, deren Großmutter eine Portugiesin war, den Bemühungen der Alliierten hervorragende Dienste geleistet hat. Ihren derzeitigen Wohnort kenne ich leider nicht. Da sie inzwischen verwitwet ist und die Pension ihres verstorbenen Ehemanns bezieht, wird Ihnen der Kommandeur von Captain Stowes Regiment möglicherweise weitere Auskünfte geben ...‘“
Während Rodgers die abschließenden Bemerkungen des Majors vorlas, galt Guys Interesse nurmehr der ersehnten Information. Nun hatte die Frau, die in jener Dezembernacht sein Leben gerettet hatte, einen Namen. Isabella Stowe, deren Großmutter eine Portugiesin gewesen und die nun verwitwet war.
In seiner Fantasie entstanden infolge der neu gewonnenen Kenntnisse Visionen, die sich von früheren Vermutungen unterschieden. Was immer die Frau sein mochte, deren Worte ihn vor abgrundtiefer Verzweiflung bewahrt hatten – sie war keine typische Engländerin, abgesehen von einem wichtigen Aspekt.
So wie viele Hundert andere Frauen, die wegen des Krieges gegen Napoleon ihre Ehemänner verloren hatten, lebte sie vielleicht in beschränkten Umständen.
Wenigstens in dieser Hinsicht konnte er etwas unternehmen.
Und falls er sich diesbezüglich irrte, wollte er ihr danken, denn sie hatte so viel für ihn getan. Natürlich war das der Grund gewesen, der ihn zu seinen Nachforschungen bewogen hatte. Jetzt kannte er ihren Namen, das Ziel seiner langen Suche geriet in Reichweite.
Isabella senkte den Kopf. Mit ihrem Daumen und dem Zeigefinger schloss sie die Augen. Dadurch verringerte sie weder die Schmerzen in ihren Schläfen noch den Stapel der Rechnungen, die vor ihr lagen.
Gegen dieses Problem konnte sie anscheinend nichts tun. Die Pension ihres verstorbenen Mannes reichte nicht aus, ihre Bemühungen, das spärliche Einkommen aufzubessern, waren fehlgeschlagen. Und wenn kein Essen mehr auf den Tisch gelangte ...
„Eine gute Tasse Tee wird Sie stärken, meine Liebe“, entschied die Haushälterin. Mit der Vertraulichkeit ihres jahrelangen Dienstes schob die sie Zahlungsaufforderungen der Ladenbesitzer beiseite, um auf dem Schreibtisch Platz für die Kanne zu schaffen.
„Ein Gewitter braut sich zusammen. Nur deshalb haben Sie Kopfweh“, fuhr sie fröhlich fort und schenkte den Tee ein. „Meinem Großvater ist es genauso gegangen, der hat jedes Unwetter vorausgesehen.“
In der Tat, ein Gewitter braute sich zusammen, stimmte Isabella in Gedanken zu und hob die Tasse an ihre Lippen. Und zwar eines, bei dem Sturm und Regen keine Rolle spielten.
„Was sagte Mr Winters, als er Ihnen diese Mahnung gab?“ Isabella blickte auf, um herauszufinden, ob sie eine ehrliche Antwort erhalten würde.
„Nun, ich habe ihm ganz gehörig die Meinung gegeigt“, erwiderte Hannah resolut.
„Einer von seiner
Weitere Kostenlose Bücher