0788 - Schreckensnacht der weißen Nonne
nichts an. Sie saß da, schlug hin und wieder die Beine übereinander, schaute mir zu, wobei ihr schwach in der Dunkelheit zu sehendes Gesicht ab und zu ein Lächeln zeigte.
Das hätte mich normalerweise nicht gestört. Es ist immer besser, wenn jemand lächelt, als dass er durchdreht. In dieser Nacht allerdings war ich etwas empfindlich, denn ich hatte einfach den Eindruck, dass Anina mir einiges verschwieg, was ihre Person anging.
In einer Metallschale drückte ich die Kippe aus und blies den letzten Rauch durch die Nase. Dann drehte ich mich mit einer entschlossenen Bewegung um, die von Anina ebenfalls bemerkt worden war, denn sie gab sich amüsiert, als ich auf sie zuging und dicht vor ihr mit hängendem Kopf stehenblieb.
»Hast du was, John?«
»Ja.«
»Du bist nervös!«, stellte sie fest.
»Auch.«
»Keine Sorge, wir haben Dubbs geschafft, und wir werden auch die Äbtissin schaffen.«
»Daran habe ich nicht gedacht.«
»Nein?« Ihr noch junges Gesicht mit den dunkel und leicht grünlich schimmernden Augen zeigte einen erstaunten Ausdruck. »Womit hast du dich dann beschäftigt?«
»Mit dir!«
Anina lachte mich an. »Himmel, das kann doch nicht wahr sein! Bin ich denn so interessant für dich geworden? Ich denke, da gibt es andere, mit denen du dich beschäftigen solltest, ohne mich in deine Angelegenheiten einzumischen.«
»Das gebe ich gern zu, Anina, diese anderen gibt es. Aber die sind nicht in meiner Nähe, im Gegensatz zu dir.«
»Ja, das kann ich nicht abstreiten. Aber was beschäftigt dich denn so? Was bin ich für dich?«
»Ich werde es dir sagen! Du bist für mich ein Rätsel. Ein lebendes Rätsel.«
Sie lächelte mich an. »Soll ich das nun als Kompliment auffassen, oder nicht?«
»Es ist mir im Prinzip egal, wie du darüber denkst. Ich bin einfach der Meinung, dass ich viel zuwenig von dir weiß.«
Sie fasste nach meinen Händen, und ich ließ es geschehen. »Ist das so tragisch? Glaubst oder vertraust du mir nicht mehr?«
»Das hat damit nichts zu tun, Anina. Es ist nun einmal so. Ich möchte immer genau wissen, mit wem ich es zu tun habe. Ich möchte nicht, dass mein Partner eine Maske trägt, wenn du verstehst.«
»Nein, denn ich trage keine Maske.«
»Keine sichtbare. Aber du schottest dich ab. Du überraschst mich immer wieder von neuem. Du bist eine Person, die um sich herum eine unsichtbare Mauer gebaut hat. Man kommt an dich einfach nicht heran, wenn du weißt, was ich meine.«
»Ich versuche zu verstehen.«
»Lüg nicht.«
»Bitte, John…«
»Was steckt hinter dir?«
»Ich bin eine Nonne.«
Meine Hände lösten sich aus den ihren. »Ich weiß, dass du eine Nonne bist, meine liebe Anina. Nur ist das nicht alles, denn du bist in meinen Augen mehr, viel mehr.«
»Schön, gesetzt den Fall, ich wäre mehr. Was bin ich deiner Meinung dann?«
Ich trat einen Schritt zurück und gab ihr eine ehrliche Antwort.
»Das eben weiß ich nicht so genau.«
Anina hob die Schultern. »Aber du gibst doch sicherlich zu, dass ich auf deiner Seite stehe.«
»Ohne Zweifel.«
»Damit wären wir schon einen Schritt weiter.«
»Nicht für mich. Ich denke daran, dass ich eher einen zurückgegangen bin.«
»Nein, John, das stimmt doch nicht. Ich habe hier im Kloster gelebt und festgestellt, dass hier einiges nicht in Ordnung war. Hier ist etwas völlig aus der Bahn gelaufen. Bitte, das musst du begreifen!«
»Ist mir auch klar.«
»Dann verstehe ich beim besten Willen nicht, wo dein Problem liegt, John.«
»In der Sache an sich. Ich gebe zu, dass du im Kloster gewesen bist. Du hast da deine Zeit verbracht, was alles gut und schön ist. Wird von mir akzeptiert, aber du hast vergessen, dass du nicht wie deine Mitschwestern einfach so oder auch einem bestimmten Ruf folgend in dieses Kloster gegangen bist.«
»Wie kommst du darauf?«
Ich bewegte meine Hände hin und her. »Ich kann es dir nicht genau sagen, dabei habe ich mich einfach auf mein Gefühl verlassen.«
»Gefühle können täuschen.«
»Das gebe ich zu. In diesem Fall glaube ich allerdings nicht daran. Hinter deinem Erscheinen hier steckt ein Grund.«
»Welcher denn?«
»Ich gehe davon aus, Anina, dass dich jemand geschickt hat. Du bist gesandt worden.«
Sie saß still, räusperte sich und strich dann über ihr Haar. »Geschickt, gesandt, lieber Himmel, auf welche Ideen bist du denn da gekommen? Wer sollte mich geschickt haben?«
»Das möchte ich gern von dir wissen.«
»Ich selbst habe mich geschickt!«
»So gut
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