0950 - Ein Gruß aus der Hölle
Kopfseite des Grabs stand eine steinerne Figur.
»Hier bin ich begraben«, sagte Caroline…
***
Marion Bates hätte nicht gedacht, daß sie noch einen weiteren Kältestoß bekommen würde, nach diesen Worten aber war es so. Da trieben plötzlich kleine Eisschollen durch ihrer Körper.
Mehrmals wiederholte sie die Worte in Gedanken, ohne es eigentlich so recht zu wollen.
»Warum schweigst du?«
Marion schwieg weiterhin und zitterte. Sie war noch ein Kind oder fast noch ein Kind, aber in diesem Moment mußte sie etwas verkraften, mit dem auch ein Erwachsener kaum klargekommen wäre.
Das war einfach ungeheuerlich. Caroline, die neben ihr stand, behauptete tatsächlich, daß sie dort begraben war. Das war unmöglich, dann hätte sie nicht neben ihr stehen können.
Marion Bates war etwas aufgefallen, und zwar am Sockel der Figur. Jemand hatte dort etwas eingraviert.
Für Marions Augen war es noch zu weit entfernt. Sie mußte näher an den Grabstein heran, um die Schrift lesen zu können. Nach zwei Schritten schaffte sie es, auch wenn ihre Brillengläser leicht beschlagen waren.
Es stimmte. Es entsprach den Tatsachen, und Marion hörte sich selbst stöhnen. Sie las die Worte, die in den Stein eingraviert waren, mit halblauter Stimme vor.
»Hier liegt Caroline, vierzehn Jahre alt. Gestorben im Namen des Satans…«
Beim letzten Wort schloß Marion die Augen. Sie kannte den Begriff Satan. Sie wußte, daß der Teufel und er dieselbe Person waren, und sie wußte auch, daß es der Teufel war, der das Schlechte und Böse in die Welt brachte. Das hatte sie in der Schule gehört. Zwar war sie vom Religionsunterricht befreit worden - die Mutter hatte das so gewollt -, aber heimlich war sie schon hingegangen und hatte zugehört, was der Lehrer oder der Pfarrer - beide wechselten sich mit dem Unterricht ab - zu sagen hatten.
Mit ihrer Mutter hatte Marion nie darüber gesprochen, aber sie mußte zugeben, daß es ihr gefallen hatte.
Caroline stand hinter ihr und ließ sie in Ruhe. Marion hatte die Worte gelesen und hob nun den Kopf an, um auch die obere Hälfte des Steins in Augenschein nehmen zu können.
Die Figur - es war eine…
Ja, was war es überhaupt?
Obwohl Marion genau hinschaute, kam sie nicht damit zurecht. Es war weder eine Frau, noch ein Mann, der Körper war geschlechtslos. Vielleicht gab das Gesicht Aufschluß, um wen es sich handelte.
Gesicht? Fratze? Beides…?
Marion trat noch näher heran. Sie wollte es wissen. Die Kälte spürte sie in diesem Moment nicht mehr, denn tatsächlich schoß ein heißer Strom durch ihren Körper, und sie wunderte sich darüber, daß so etwas noch möglich war.
Das Gesicht gehörte keinem Menschen!
In der Kälte und unter Eis schimmerte es grau und auch etwas weiß, doch es war klar, daß diese Figur kein normales Menschengesicht hatte, sondern ein verzerrtes. Die Form erinnerte an ein Dreieck.
Marion hatte nie Bilder vom Teufel gesehen, wie ihn sich die Menschen vorstellten, in diesem Fall allerdings war es das Abbild des Höllenherrschers.
Der dreieckige Kopf. Das breite Maul, das offenstand. Sogar die verdammten Zähne waren angedeutet worden. Sie bildeten ein Gebiß, das aus zahlreichen Stiften bestand.
Die Nase sprang hervor wie ein Knochen. Darüber befanden sich die Augen und die sehr breite Stirn ohne eine einzige Falte. Haare hatte die Figur nicht, es wuchsen ihr auch keine Hörner aus dem Schädel, aber Marion war einfach von den Augen dieser Grabfigur fasziniert. Sie hatte zunächst gedacht, daß sich in sie Eiskristalle hineingedrückt hatten, das konnte nicht stimmen, denn die sahen anders aus.
Lebten sie? Waren sie tot? Sahen sie tatsächlich so gelb aus wie die Augen eines Raubtiers. Brannte der kalte Blick dieser Figur auf ihrem Körper?
Marion Bates war unsicher geworden. Wieder schoß das Gefühl der Angst in ihr hoch. Sie fühlte sich eingeengt, als hätte ihr jemand die Luft genommen. Und sie schrie plötzlich leise auf, als sie die Berührung auf ihrer rechten Schulter spürte. Die Vorstellung, daß jemand aus dem Grab geklettert war, wollte nicht von ihr weichen, aber es war nur Caroline, die ihre Hand auf die Schulter der Freundin gelegt hatte.
»Komm zurück…«
Marion bewegte ihre Beine automatisch nach hinten. Sie wußte nicht mehr, was sie noch denken sollte. Alles war so fremd geworden, aber auch so unheimlich. Selbst die Nähe der Freundin flößte ihr kein Vertrauen mehr ein.
Auch deshalb nicht, weil sie daran dachte, was ihr
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