0995 - Die Rache der Toten
Positive ihrer Lage berücksichtigte, und das hatte sich auch hier nicht geändert.
Ich lebe, dachte sie. Okay, ich lebe. Er hat mich nicht erwischt, und er irrt auch nicht in meiner Nähe herum, denn ich kann ihn nicht hören. Bei diesem Gedanken erschrak sie schon, allerdings auch über die Stille und die finstere Umgebung.
Zum erstenmal dachte die Frau wieder klar. Sie schaute sich um, während sie noch immer kniete. Sie sah nichts, das Dunkel umgab sie wie ein Gefängnis, aus dem sich allmählich eine schwache Umgebung hervorschälte.
Nein, das war nicht mehr der Friedhof. Es waren keine Grabsteine oder Kreuze zu sehen. Aus dieser Finsternis schälten sich die hohen und kahlen Bäume wie im Düstern liegende starre Gespenster hervor.
Es war einfach nur der Wald!
Sarah durchrann das Gefühl einer Erleichterung und Erlösung. Instinktiv hatte sie genau das Richtige getan und war in den nahen Wald gelaufen, wo ihr die Umgebung den nötigen Schutz gab.
Okay, der Untote konnte ihr auch hierher folgen, aber er würde seine Schwierigkeiten haben, sich zu bewegen, weil es einfach zu viele Hindernisse gab.
Ein laufender Mensch wich ihnen aus, aber kaum ein Zombie, der nicht dachte, der nur den Weg nach vorn kannte, um so rasch wie möglich an seine Beute zu gelangen.
Er lief unbeirrt. Er brach Hindernisse weg, er stürmte durch oder auch vorbei, und dies ging nie ohne die entsprechenden Begleitgeräusche ab.
Auf die wartete Lady Sarah!
Aber sie waren nicht zu hören.
Hatte sie vor kurzem noch die Totenstille auf dem Friedhof umgeben, so war es jetzt die nächtliche Ruhe des Waldes, wobei ihr die auch nicht gefiel, denn diese Stille war bereits unnatürlich. Da hörte sie keinen Laut, nichts raschelte oder schrie. Kein Vogel flatterte davon. Schon das Schreien einer Eule hätte sie etwas beruhigt, doch sie wartete darauf vergeblich. Die unnatürliche Stille des Waldes blieb.
Unterbrochen wurde sie nur von den Geräuschen, die Sarah verursachte, als sie aufstand.
Es klappte. Beim Aufprall hatte sie sich nichts verstaucht oder geprellt, es war alles in Ordnung. Abgesehen von geringen Muskelschmerzen, die allerdings durch das Gefühl der Spannung einfach überdeckt wurden.
Es geht mir gut! dachte sie. Verdammt noch mal, ich bin dem Grauen entwischt. Er hat mich nicht bekommen. Ich bin schneller gewesen als er, und diese Tatsache sorgte für einen positiven Drive. Am liebsten hätte sie durch ein befreites Lachen ihrer Freude Ausdruck verliehen, aber sie wußte auch, wie weit ein derartiges Geräusch in der Stille des Waldes zu hören war, und sie wollte auf keinen Fall jemanden auf sich aufmerksam machen. Also blieb sie still. Lady Sarah beugte sich nach vorn, richtete sich wieder auf. Auch mit ihrem Rücken war alles okay, und genau dies war der Moment, in dem sie ihrem Schutzengel danken mußte.
Wieder einmal war sie davongekommen. Aber wie lange noch? Wo steckte der Zombie? Er war darauf trainiert, Menschen zu fangen. Er wollte warmes und frisches Fleisch, und deshalb würde er auch nicht aufgeben und weitersuchen. Er würde kommen. »Und dann darf ich nicht mehr hier sein!« flüsterte Sarah vor sich hin. »Auf keinen Fall darf er mich erwischen. Ich muß weg. Er ist…« Ihre Gedanken brachen ab. Sie machte sich auf den Weg. Aber wohin?
Sarah Goldwyn hielt sich zum erstenmal in diesem Waldstück auf. Die Taxifahrt konnte man ja nicht zählen.
Der Weg oder die Straße wollte ihr allerdings nicht aus dem Kopf. Es mußte ihr gelingen, sie zu erreichen. Wenn sie dort war, brauchte sie ihr nur zu folgen, um den Ort Shortgate zu erreichen.
Die Richtung, die sie einschlagen mußte, war ihr nicht bekannt. Sarah hoffte nur, nicht so falsch zu laufen, daß sie den Friedhof erreichte und dort womöglich noch dem Zombie in die Arme lief. Das hätte dem Faß die Krone aufgesetzt.
Sie bewegte sich. Die Kälte kehrte zurück, jetzt, wo sie wieder normal war und nicht mehr unter dieser gewaltigen Anspannung litt. Sie erinnerte sich auch wieder an die Stoffhandschuhe, die in den Manteltaschen steckten. Sarah streifte die Handschuhe über ihre kalten Finger und war froh, wenigstens etwas geschützt zu sein.
Dann suchte sie sich den Weg. Zwar lief sie nicht wie eine Blinde, aber viel fehlte nicht, denn sie hielt die Arme ausgestreckt, um Hindernissen möglichst früh ausweichen zu können, falls sie nicht aus dem Weg zu räumen waren. Das klappte ganz gut, denn die Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit.
So fand sie
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