10 - Im Bann der Loge
Reaktor stehe. Wann können Sie liefern?«
DL: »Mitte Januar, wenn der abschließende Großtest in der Schweiz erfolgreich abgeschlossen ist. Keinesfalls früher.«
CH: »Gut. Ist mir ein Vergnügen, mit Ihnen Geschäfte zu machen.«
***
Spencer McDevonshire fuhr mit seinem silbernen Jaguar an der Einfahrt zur Tiefgarage vorbei und parkte zwei Häuser neben dem Interpol-Gebäude. Das war weit genug entfernt, dass Jorgensen den Wagen nicht sehen würde, wenn er zum Dienst erschien.
Falls dieses selbstverliebte Arschloch überhaupt wusste, was für ein Auto McDevonshire fuhr.
Auf der Straße vor dem Haupteingang herrschte ein ungewöhnlicher Tumult. Eine Gruppe von Menschen, die aufgeregt durcheinander plapperte, und ein Bus mit einer gewaltigen Delle in der Motorhaube. Eines der Lichter funktionierte nicht. Wahrscheinlich ein Unfall.
McDevonshire kümmerte sich nicht darum. Er wusste nicht, wann Jorgensen seinen Dienst begann, und wollte keinesfalls, dass der Sektionsleiter ihn erwischte, nur weil er sich zu lange auf der Straße herumtrieb. Durch einen Seiteneingang huschte er ins Interpol-Gebäude.
Die schmiedeeisernen Zeiger der großen Uhr in der Eingangshalle standen auf halb sechs. Mit etwas Glück war Robby schon im Dienst.
Robert Sanderson hatte sich in den letzten Jahren zu Spencer McDevonshires ausgelagertem technischen Verstand entwickelt. Jedes Mal, wenn ihn ein Problem mit diesem neumodischen Kram plagte, rief er Robby zu Hilfe, denn der hatte ein unvergleichliches Händchen für Technik. Kein Wunder, schließlich verdiente Sanderson seine Brötchen in der entsprechenden Abteilung. Netzwerke hacken, Telefonate zurückverfolgen, Computer ausspionieren, wahrscheinlich sogar Taschenrechner in tödliche Waffen umfunktionieren, all das beherrschte er.
McDevonshire nahm die Treppe in den Keller. Verwundert registrierte er einen zerstörten Flügel der Glastür.
Zwei Minuten später stand er im Herz der Abteilung für Internet-Kriminalität. Unzählige Monitore, viele Computer, blinkende und leuchtende Konsolen – ein El Dorado für Menschen wie Robert Sanderson. Ein Albtraum für solche wie McDevonshire.
»Morgen«, sagte Mildred Greenshaw, eine hübsche Blondine Mitte zwanzig. So weit der Commissioner das Großraumbüro vom Eingang aus überblicken konnte, hielt sich außer ihnen nur ein glatzköpfiger Kollege in der Abteilung auf, der konzentriert auf einer Tastatur herumklapperte. »So früh schon auf den Beinen?«
»Man kann nicht früh genug mit der Arbeit anfangen.«
»Vor allem, wenn man suspendiert ist und nicht gerade bei Hochbetrieb hier auftauchen will, richtig?« Sie lächelte ihn an. »Keine Angst, ich kann Jorgensen auch nicht leiden. Von mir erfährt er nichts. Außerdem hab ich sowieso gleich Schluss.«
»Ist Robby schon hier?«
»Nee. Wird aber jeden Moment erscheinen. In den Tagen nach Weihnachten fängt er nie später als fünf Uhr dreißig an. Umso eher kann er nach Hause zu seinen Kindern. Das heißt, wenn nicht gerade mal wieder ein heißer Fall voller unbezahlter Überstunden anliegt.«
Kaum hatte sie das letzte Wort gesprochen, öffnete sich die Tür und ein solariumsgebräunter Enddreißiger mit Stoppelschnitt und jungenhaftem Lächeln betrat die Abteilung. Auch wenn sein Lächeln heute eher gequält erschien.
»Morgen, Robby«, begrüßte McDevonshire ihn. »Ich bräuchte mal wieder deine Hilfe.«
»Habt ihr das mitbekommen?«, fragte Sanderson, statt den Gruß zu erwidern.
»Was denn?«
»Jorgensen ist tot!«
» Was?« Da McDevonshire für den Sektionsleiter nur Verachtung übrig hatte, hielt sich sein Entsetzen in Grenzen. Dafür war die Überraschung umso größer.
»Er ist wohl vor einen Bus gelaufen. Mehr weiß ich auch nicht. Muss passiert sein, kurz bevor ich ankam.«
Die Menschenmenge, die McDevonshire aufgefallen war!
»Das … das ist schrecklich«, sagte der Commissioner, kam sich dabei heuchlerisch vor und fühlte sich im nächsten Augenblick schuldig. »Da ich aber befürchte, dass das weder Auswirkungen auf meine Suspendierung noch auf meine frühzeitige Versetzung in den Ruhestand haben wird, müssen wir die Trauerarbeit auf später verschieben. Kannst du mir einen Gefallen tun?«
»Worum geht es denn?«
»Kannst du ein Handy für mich orten?«
»Klar, wenn es nicht ausgeschaltet ist. Wem gehört es?«
»Mir.«
Sanderson stutzte für einen Augenblick. »Hast du es verloren?«
»So ungefähr. Wie lange dauert das?«
»Kommt drauf an.
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