1.000 Euro für jeden
das
Haushaltseinkommen nicht entscheidend sei, wohl aber der Bildungsgrad. Der Boom
sei von Eltern ausgelöst worden, die selbst Abitur haben. Und ja, sie nehmen
für ein stärkeres Eingehen auf die jeweiligen Fähigkeiten und Neigungen ihrer
Kinder und eigene Mitwirkungsmöglichkeiten in Kauf, Schulgeld zahlen zu müssen.
So beunruhigend diese Entwicklung im Hinblick auf eine weitere soziale
Aufspaltung sein kann, so nachvollziehbar ist sie. Es braucht Wege, die
Lehrmethoden von offenbar erfolgreichen Privatschulen auf öffentliche zu
übertragen, um zu verändern, was OECD-ForscherInnen schon lange beobachten: Das
deutsche Bildungssystem ist nicht mehr zeitgemäß und zutiefst ungerecht, was
tatsächlich auch jeder so sieht, belegt durch das Meinungsforschungsinstitut
Emnid 2008.
Entwicklungsbedürfnisse
von Kindern und Jugendlichen werden immer individueller und differenzierter.
Daher ist es eine Illusion zu glauben, dass eine einzige Art von Schule all
diesen Anforderungen gerecht werden könnte. Vielmehr brauchen wir eine
größtmögliche Vielfalt unterschiedlichster Formen von Schulen, aber auch Kindergärten
und Kitas: hinsichtlich Lerngruppengrößen, Lernwegen und Lernmethoden. Damit
kognitives, soziales, sinnliches und körperliches Lernen ermöglicht wird.
Vision der Vielfalt –
Schule und
Grundeinkommen
Auf dieser
Grundlage beschäftigen wir uns schon länger mit der Frage, wie sehr ein
bedingungsloses Grundeinkommen Kindheit und Schule verändern würde. Durch ein
lebenslanges Grundeinkommen, »von der Wiege bis zur Bahre«, würde sich die
Chance auf schulische Vielfalt deutlich erhöhen. Mit 1000 Euro stünden jedem
Kind in Kindergarten oder Kinderbetreuung, Grund- oder weiterführender Schule
ungleich mehr Möglichkeiten zur Verfügung.
Deutschland
hat zwei Probleme: Es werden zu wenige Kinder geboren, und von diesen wenigen
fallen erschreckend viele in Armut. Laut Bundesfamilienministerium sind im Jahr
2010 2,4 Millionen Kinder armutsgefährdet. Sie müssen lernen, mit der Angst
umzugehen, ausgegrenzt zu werden. Kindern von Hartz-IV-Empfängern stehen
täglich drei Euro zur Verfügung – für alles. Das schwarz-gelbe Sparpaket
der Bundesregierung vom Juni 2010 sendet das Signal aus, lieber keine Kinder zu
bekommen, es sein denn, man hat einen festen Job. Nach ihren Sparbeschlüssen,
die den Hartz-IV-EmpfängerInnen das Elterngeld streichen, titelt der Berliner Tagesspiegel : »Dann lieber abtreiben«.
Würde
das Grundeinkommen dieser Entwicklung nicht ein Ende setzen können? Auf der
finanziellen Basis des Grundeinkommens könnten sich Kinder sicherer und
willkommener fühlen, würden nicht Gefahr laufen, wie wachsende Kostgänger
behandelt zu werden. Denn sie würden ja dann, wie alle anderen auch, ihre
eigene Existenzgrundlage mitbringen.
Eltern
wären keine Bittsteller mehr, die darauf hoffen müssten, dass sie nach soundso
viel erbrachten Nachweisen vielleicht doch eine Bezuschussung zum
Kindergartenplatz bekommen. Schule würde sich ändern. Radikal.
Für
alle wäre dann möglich, was sich heute fast nur Angehörige des alten
Bildungsbürgertums und der neuen kreativen Klasse leisten können: ihre Kinder
freien Einrichtungen anzuvertrauen, weil es dort ein kindgemäßes Konzept, ein
Spezialangebot, einen besseren Betreuungsschlüssel gibt oder es ihrem Prestige
zuträglich ist.
Mit
einem Bildungsgutschein über zum Beispiel 500 Euro könnten – und
müssten – Eltern sich überlegen, wo sie ihr Kind hinbringen. Hat die Kita
um die Ecke das pädagogische Konzept, das ihnen einleuchtet, oder suchen sie
etwas Spezielleres? Etwa die Einrichtung, die Türkisch und Deutsch, oder
Arabisch und Deutsch gleichberechtigt als Lernsprachen anbietet? Den Kindergarten,
der das Handwerk in den Mittelpunkt stellt oder die Musik oder die bildende
Kunst?
Durch
diese größere, differenziertere Nachfrage würden neue Schultypen entstehen
– private oder staatliche, technisch oder künstlerisch orientierte –,
die den neuen sozialen Realitäten entsprechen, vor allem der Tatsache, dass die
Zahl der Kinder mit bikultureller Biographie zugenommen hat und weiterhin
zunimmt. Alle Schulen würden gleichermaßen vom Kindergrundeinkommen
profitieren – die häufig artikulierte Sorge, dass dann Eliteeinrichtungen
solchen für arme Jugendliche gegenüberstünden, ist nachvollziehbar, aber
unbegründet. Praktische Auswirkungen auf die Migrations-, Bildungs-, Jugend-
und Sozialpolitik wären die
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