1149 - Im Bann des Zweisterns
bist - und mich kann er nicht neben Kebaren setzen, denn er hat deinem Vater sein Wort gegeben, daß wir beide zusammenbleiben werden. Kebar und Othara oder die anderen Alten kann er erst recht nicht schicken, denn sie gehören auf diese Tardaja. Er wird Kebaren gehen lassen und damit ihn, das Mädchen und die Tarja-Batha opfern."
„Ja, das fürchte ich auch."
„Nun, dann sind wir uns ja wohl einig."
Kenije war keineswegs schwer von Begriff, aber er verstand trotzdem nicht, wie Athrava das meinte. Er war ein braver Carmena, der sich zeit seines Lebens mit den Gesetzen abgefunden hatte, auch wenn das oft sehr unbequem war. Er haßte die lauen Winde, und er liebte den Sturm, und oft träumte er davon, die Tardaja aus ihren vorgesehenen Bahnen zu reißen und dorthin zu fliegen, wo Zweisterns Kraft über die Macht der Zeitgipfel triumphierte; zu schauen, was noch niemand vor ihm geschaut hatte, Zusammenhänge zu begreifen, die ihm bis jetzt unbegreiflich waren. Aber das waren Träume, die er irgendwann vergessen würde - er war sich dieser Tatsache bewußt und akzeptierte sie.
„Wir können nichts tun, um das Unglück zu verhindern", sagte er leise.
Athrava richtete sich hoch auf, und ihr für eine Frau viel zu heller Augenkranz funkelte.
„Wir können und wir werden!" schnarrte sie zornig. „Denn wir beide, du und ich, werden Kebaren begleiten!"
*
Kenije war wie betäubt, und noch viel später, als Kebarro die fremde, junge Carmena in den Ajuthe führte, glaubte er, in einem bösen Traum gefangen zu sein.
Wie konnte Athrava es wagen, einen derart irrwitzigen Plan auch nur zu erdenken!
Aber dann sah er das Mädchen, und ihm wurde ganz seltsam zumute. Die Fremde saß im Kreis der Familie, und Kebarros Kinder umringten sie, aber Kenije sah nur sie, denn sie war wunderschön. Selbst der Ajuthe schien beeindruckt zu sein - nie zuvor, so wollte es Kenije scheinen, hatte er ein so sanftes Licht erzeugt.
„Nun?" summte Athrava leise neben ihm. „Willst du sie wirklich ihrem Schicksal überlassen?"
Kenije machte eine verneinende Geste und starrte weiterhin wie hypnotisiert die Fremde an.
„Komm!" befahl Athrava und ergriff seinen Arm.
Er wollte nicht gehen, aber Athrava gab keine Ruhe, und so folgte er ihr schließlich doch.
„Du kannst sie noch lange genug ansehen, wenn wir erst auf der Tarja-Batha sind", erklärte sie ungeduldig. „Aber jetzt ist keine Zeit dazu, sie anzustarren. Laß uns nachsehen, was sie mitgebracht hat!"
Kenije glitt widerstrebend neben Athrava her, denn er fürchtete, daß Kebarro seine Abwesenheit bemerken und Verdacht schöpfen könnte, aber Athrava wies alle derartigen Bedenken schroff zurück.
„Er hat jetzt keine Zeit, sich über sein Leihkind den Kopf zu zerbrechen", behauptete sie.
„Er wird Mühe haben, den armen Kebaren als einen guten Gefährten hinzustellen, und das wird ihn noch für eine ganze Weile beschäftigen. Da ist die Tarja-Batha!"
Kenije blieb abrupt stehen. Er hatte schon viele Tarja-Bathas gesehen, aber diese hier erschien ihm schöner als alle anderen.
„Sehr jung", bemerkte Athrava kritisch. „Sieh dir den Ajuthe an - der bietet kaum Platz für drei Carmena. Und die Zentralblätter - oh, es wird schwer sein, sie im Sturm zu halten."
„Unsinn", summte Kenije vor sich hin. „Sie ist etwas Besonderes."
„Ich glaube kaum, daß sie sich freiwillig von ihrer Tardaja gelöst hat", fuhr Athrava fort.
„Bestimmt hat die Familie des Mädchens nachgeholfen. Hoffentlich ist wenigstens die Trennungsstelle ordentlich versorgt. Kommst du mit?"
„Wohin?" fragte Kenije verträumt.
„Auf die Tarja-Batha, Dummkopf!"
„Ja, gewiß. Ich werde den Ajuthe besichtigen."
„Bei Zweisterns Güte!" schnarrte Athrava zornig. „Hat sie dir bereits so sehr den Kopf verdreht? Wach auf, Kenije!"
„Wie?" fragte er. „Was ist los?"
„Du sollst zu dir kommen - oder du landest nie in diesem Ajuthe, sondern auf irgendeinem Zeitgipfel. Kebarro wird außer sich vor Wut sein, wenn er uns auf die Schliche kommt. Also verbirg deine Gefühle gefälligst, bis wir weit genug von ihm und seiner Tardaja entfernt sind!"
An Kebarro hatte Kenije schon gar nicht mehr gedacht, denn in seinen Gedanken steuerte er bereits diese zarte, junge Tarja-Batha durch die Lüfte. Athravas Ermahnungen brachten ihn wieder halbwegs auf den Boden der Tatsachen zurück, und er bekam es mit der Angst zu tun. Aber es war nicht nur Kebarro, vor dem er sich fürchtete.
„Laß uns
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