1156 - Der Armadaprinz
sich die Stahlwände in Bewegung. Zentimeter für Zentimeter wanderten sie weiter.
„Nein", schrie einer der Männer neben Simone auf. „Jetzt ist Schluß, endgültig Schluß."
Er trat von der Stahlwand zurück. Im gleichen Moment zuckte etwas Helles von oben herab und traf ihn an der Schulter. Er schrie gepeinigt auf, weigerte sich aber dennoch, die Arbeit wieder aufzunehmen.
„Dieses Mal nicht!" brüllte er. „Ihr könnt mich nicht zwingen. Niemals!"
Abermals blitzte es über ihnen auf, und Sekunden später stemmte sich der Mann wieder gegen die Stahlwand. Simone hörte ihn weinen, aber sie war zu schwach, um Mitleid empfinden zu können.
Hatte er wirklich geglaubt, den Neuroschauern widerstehen zu können, die jedem unerträgliche Schmerzen verursachten, der sich sträubte?
Simone war selbst einmal in dieser Weise bestraft worden. Tagelang hatte sie unter den Nachwirkungen der Schauer und der Angst vor irreparablen Schäden gelitten.
Und doch war sie bereit, Aarn Valdecci zu folgen, wenn dieser versuchte, auszubrechen.
Sie blickte nach oben.
Die Stahlwand, gegen die sie sich stemmte, war etwa zweieinhalb Meter hoch. Noch einmal zwei Meter höher befand sich an einer Stelle der Hallenwand eine Öffnung, die nur durch ein dünnes Gitter verdeckt wurde. Sie war ihr Ziel.
Der Plan war, auf die Stahlwand zu steigen, darauf entlangzulaufen, wenn sie sich der Öffnung näherte, und dann kopfüber durch das Gitter zu springen. Das mußte so schnell gehen, daß Valdecci und sie hindurch waren, bevor einer der Ouechos Neuroschauer über sie ergießen konnte.
Neben ihr entstand Unruhe, und dann war Aarn plötzlich da.
„Ich möchte wissen, ob wir mit dieser Arbeit überhaupt etwas bewirken", sagte er laut und mit kräftiger Stimme. „Vermutlich nicht."
Er blickte nach oben, wo die Mittelachse der Apparatur in der Decke verschwand.
„Diese Arbeit ist so sinnlos wie ein Staubsauger in der Steinzeit."
Wahrscheinlich hat er recht, dachte sie und fragte sich, was er mit seinen Worten beabsichtigte.
„Was ist los?" flüsterte sie.
„Wir versuchen es", entgegnete er mit gedämpfter Stimme. „Du zuerst. Wie fühlst du dich?"
„Besser", antwortete sie. „Die Arme schmerzen nicht mehr so."
„Weil sie arbeiten müssen und durchblutet werden", erklärte er. „Wir haben Zeit. Wenn du noch nicht soweit bist, warte lieber noch etwas. Wir müssen es auf Anhieb schaffen, sonst sieht es schiecht aus für uns."
„Ist mir klar."
„Also?"
„Es geht los."
„He, Simone, was ist denn?" fragte Jotho Manahe. Er schob einen der Männer zur Seite und drängte sich neben sie. „Ist da etwas, was ich wissen sollte?"
„Nichts", zischte sie ärgerlich. „Wirklich nichts."
Er blickte sie forschend an. Der Schweiß lief ihm in Strömen über das schmale Gesicht.
„Macht bloß keinen Quatsch", riet er ihr. „Du weißt doch, was passiert, wenn man nicht arbeitet. Du hast es gerade gesehen."
Sie ließ den Kopf in den Nacken sinken. Die Öffnung in der Hallenwand rückte näher.
Wenn sie ausbrechen wollten, dann mußten sie handeln, oder sie mußten etwa eine halbe Stunde warten, bis sie die Halle einmal umrundet hatten, und die Öffnung abermals in greifbare Nähe kam.
„Jetzt", flüsterte sie Aarn Valdecci zu.
„Was ist mit ihm?" fragte er leise.
„Ach, laß ihn doch. Der redet nur."
Sie trat zwei Schritte zurück. Aarn Valdecci krümmte den Rücken und beugte die Knie.
Simone Keim schnellte sich vor. Über ihr blitzte es auf, aber der Neuroschauer zuckte an ihr vorbei, weil sie bereits auf den Rücken Valdeccis gesprungen war, sich von hier auf die obere Kante der Stahlwand schwang, darauf entlang rannte und sich dann kopfüber durch das Gitter stürzte. Feurige Blitze umzüngelten sie, und sie spürte einen stechenden Schmerz, der ihren ganzen Körper durchschnitt, dann aber sofort wieder abflaute. Eilig kroch sie weiter. Dabei hörte sie, wie der schwere Körper Valdeccis hinter ihr aufprallte.
Eine Alarmsirene heulte auf.
Dann stutzte Simone. Da war ein zweiter Aufprall gewesen. Nicht nur Aarn Valdecci war hinter ihr, sondern noch ein anderer.
„Weiter, weiter", drängte Aarn. „Wir müssen heraus aus dieser Falle. Wenn wir erst einmal in einem anderen Bereich des Schiffes sind, finden sie uns nicht mehr."
„Wer ist hinter dir?" fragte sie und ließ sich in einen kleinen Raum fallen, in dem mehrere Klimamaschinen standen.
Der Kosmosignalist folgte ihr.
„Das werden wir gleich sehen",
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