12 Tante Dimity und der Wilde Westen (Aunt Dimity Goes West)
hier. Annelise kann gerne bei ihnen bleiben. Dann können sie mit den anderen Gästen Mittag essen und zusammen mit ihnen heute Nachmittag den Ausritt machen. Währenddessen können Sie sich von Toby die Gegend zeigen lassen. Er kennt hier jeden Flecken, der sehenswert ist. Ich bringe die Zwillinge rechtzeitig zum Abendessen zum Aerie zurück.«
»Haben Sie einen Wagen mit Kindersitzen?«, fragte ich.
»Ich kann welche einbauen«, sagte Brett. »Wir haben sie für Gäste auf Lager. Zu uns kommen öfter Eltern mit kleinen Kindern. Dauert keine Minute, bis ich die drin habe. Sie passen genau in meinen Pick-up.«
»Klingt gut«, meinte ich. »Aber ich muss das mit Annelise besprechen. Sie hat sich noch immer nicht ganz an die Höhe gewöhnt und braucht später vielleicht ein Nickerchen.«
»Sie kann gerne eines der Gästehäuser nutzen«, sagte Brett. »Meine Frau wird dafür sorgen, dass sie sich wohlfühlt. Ich passe derweil auf Will und Rob auf.«
»Sehr freundlich von Ihnen«, sagte ich. »Aber ich weiß gar nicht, ob Annelise den ganzen Tag hier bleiben möchte.«
»Möglicherweise«, begann Brett und schaute auf das andere Ende der Reitkoppel hinüber, »will sie aber auch gar nicht mehr weg.«
Ich folgte seinem Blick und stellte fest, dass sich mittlerweile mindestens ein Dutzend Männer um Annelise geschart hatten. Einige waren Ranchhelfer, andere Gäste, aber allesamt hatten sie die Hüte gelüftet und buhlten um ihre Aufmerksamkeit.
»Das Kindermädchen Ihrer Söhne hat einen Fanclub«, kommentierte Brett mit einem milden Lächeln. »Muss an dem hübschen Kleid liegen, das sie trägt. Die meisten Mädchen hier tragen Jeans.«
»Sie ist verlobt«, informierte ich ihn. »Und extrem vernünftig.«
»Es tut jeder Frau gut zu wissen, dass sie bewundert wird«, meinte Brett. »Auch einer verlobten und vernünftigen.«
Offenbar verstand Brett eine ganze Menge von Frauen. Annelise hatte nicht das Geringste dagegen, den Tag auf der Ranch zu verbringen. Toby seinerseits würde mich begleiten, wohin ich auch wollte. Und mir passte es auch, dass die Zwillinge nach Herzenslust reiten durften, während ich ins Aerie zurückkehrte. Ich hatte Tante Dimity einiges mitzuteilen.
Will und Rob ließen sich immerhin erweichen, kurz von den Ponys zu steigen, um sich von mir einen Abschiedskuss geben zu lassen. Annelise holte ihre zusätzlichen Sachen aus dem Van, und Toby und ich fuhren davon. Das Letzte, was ich hörte, waren die Zwillinge, die Brett mit Fragen zu dem bevorstehenden Ausritt löcherten.
Toby und ich hatten etwa die Hälfte der unbefestigten Straße zurückgelegt, als uns ein Mädchen auf einer Appaloosa-Stute entgegenkam. Sie war nicht ganz zwanzig, war schlank und hatte lange Beine, ein makelloses ovales Gesicht, eingerahmt von ungebändigten goldenen Locken, die im Sonnenlicht wie Kornseide glänzten. Sie hielt an, als wir näher kamen, und sah uns mit Augen an, die wie dunkle Saphire leuchteten.
»Howdy, Belle!«, rief Toby, als wir langsam an ihr vorbeifuhren.
»Belle?«, fragte ich matt. »Wer ist das?«
»Die Tochter von Deke und Sarah Brockman«, antwortete Toby. »Sie hat im vergangenen Herbst Brett Whitcombe geheiratet. Es hat Belle zwei Jahre gekostet, ihn vor den Altar zu bekommen. Brett wollte einfach nicht glauben, dass sich so ein schönes junges Ding in einen alten Cowboy wie ihn verliebt hatte. Nicht dass Brett besonders alt ist, er fand sich nur zu alt für Belle. Aber schließlich hat Belle ihn erweichen können. Wie man so sagt, wahre Liebe überwindet jedes Hindernis.« Toby sah mich an. »Alles in Ordnung, Lori? Sie schauen drein, als hätten Sie einen Geist gesehen. Halten Sie Brett etwa auch zu alt für Belle?«
»Aber nicht doch. Wie du sagtest, wahre Liebe«, murmelte ich und ging nicht weiter auf das Thema ein. Wenn ich Toby erzählt hätte, dass Belle Whitcombe Nell Harris wie aus dem Gesicht geschnitten war, einer jungen Frau, die es sich in den Kopf gesetzt hatte, einen Mann mit veilchenblauen Augen zu heiraten, der doppelt so alt war wie sie, hätte er mich sicherlich sogleich in die nächstgelegene psychiatrische Klinik ausfliegen lassen. Aber Tante Dimity würde ich davon erzählen. »Ich weiß, wir wollten eigentlich eine Tour machen, Toby, aber ich möchte lieber ins Aerie zurück. Ich fühle mich etwas müde.«
»Ist Ihre Schulter steif geworden?«, fragte er.
»Was wissen Sie von meiner Schulter?«, fragte ich abrupt.
»Sie haben doch erwähnt, dass Sie sich
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