Ganoven im Schlosspark
Gutenachtgeschichte für ein Gespenst
Im Schloss Schlotterfels stand das Stimmungsbarometer auf Sturm.
„Nein, Herr Dr. Kuckelkorn, nein und nochmals nein!“, dröhnte Frau Hagedorns Stimme über den Flur. „Diese Person ist einfach unmöglich und ich will sie nicht in meiner Küche haben!“
Paula streifte ihren Rucksack mit der Kletterausrüstung ab und warf ihrem Bruder einen interessierten Blick zu. „Was ist denn hier los?“
Max zuckte mit den Schultern. Er hängte seinen Fahrradsturzhelm am Garderobenhaken auf.
„Setzt euch!“, kommandierte Frau Hagedorn, als Max und Paula das Esszimmer betraten und noch ehe sie Hallo sagen konnten.
Dr. Kuckelkorn wuschelte seinen Kindern zur Begrüßung durch die Haare und lächelte gequält.
„Frau Hagedorn“, setzte er an, „Frau Porz soll keine Dauereinrichtung werden. Ich habe sie nur vorübergehend eingestellt, damit sie Ihnen bei den Vorbereitungen für die Vierhundertjahrfeier unter die Arme greift. Unser schönes Schloss Schlotterfels soll doch an seinem großen Tag so richtig funkeln und strahlen. Und ich möchte Ihnen nicht …“
„Wie war das? Ich mache meine Arbeit also nicht ordentlich genug?“ Eben noch war das Gesicht der Haushälterin feuerrot gewesen, doch mit einem Schlag war es weiß wie ein Bettlaken. Frau Hagedorn knüllte ihre Serviette zusammen, schleuderte sie auf den Tisch und hievte sich ächzend aus ihrem Stuhl.
„Wenn ich hier nicht länger erwünscht bin, kann ich auch gehen!“, polterte sie.
„Nein!“, protestierten Dr. Kuckelkorn, Max und Paula entsetzt.
Solange Max und Paula denken konnten, war Frau Hagedorn als Haushälterin bei der Familie Kuckelkorn beschäftigt gewesen. Sie kochte, wusch die Wäsche und hielt alles sauber. Seitdem Dr. Kuckelkorn sich seinen großen Traum vom eigenen Barockmuseum mit dem Kauf des Schlosses Schlotterfels erfüllt hatte, kümmerte sie sich auch um die Erziehung von Max und Paula. Dr. Kuckelkorn steckte nämlich fast immer bis über beide Ohren in Arbeit.
Max und Paula waren felsenfest davon überzeugt, dass Frau Hagedorn früher als Spezialermittlerin für den britischen Geheimdienst tätig gewesen war und ihre Anstellung als Haushälterin nur der Tarnung diente. Sie schien überall gleichzeitig zu sein und Streiche, Regelbrüche und schlechtes Benehmen ortete sie wie ein Radar ein U-Boot. Leider folgte dann die Strafe direkt auf dem Fuße.
Trotzdem hatten alle die füllige Haushälterin ins Herz geschlossen und hätten sie gegen nichts auf der Welt eingetauscht.
„Sie bleiben bei uns!“, rief Paula. „Sie sind doch unsere Frau Hagedorn!“
„Stimmt genau!“, bestätigte Max.
Frau Hagedorns Pausbäckchen erröteten vor Freude.
„Und diese Frau Porz geht, sobald der letzte Gast die Vierhundertjahrfeier verlassen hat?“, vergewisserte sich Frau Hagedorn, während sie sich wieder auf ihren Stuhl sinken ließ. Dr. Kuckelkorn nickte.
Die Haushälterin holte geräuschvoll Luft. „Also gut“, seufzte sie. „Ich bin einverstanden. Aber meine Küche betritt diese Person nie wieder. Das ist mein Reich!“
„Wo ist sie denn, diese Frau Porz?“, fragte Paula.
„Sie war heute Nachmittag hier, um sich das Schloss anzusehen“, antwortete Dr. Kuckelkorn wie aus der Pistole geschossen. Offensichtlich wollte er das Thema Frau Porz so schnell wie möglich vom Tisch haben. „Warum sie nicht zum Abendessen bleiben wollte, hat sie uns nicht verraten.“
„Von mir aus kann sie bleiben, wo der Pfeffer wächst“, knurrte Frau Hagedorn, krempelte die Ärmel ihrer Bluse hoch und griff nach dem Kochlöffel. „Wieso isst denn keiner? Die schönen Bratkartoffeln werden ganz kalt!“
Dr. Kuckelkorn räusperte sich: „Im Übrigen stellen sich morgen Nachmittag die Gärtner vor. Mal sehen, wer den besten Eindruck macht. Langsam wird die Sache ernst.“
„So, hier kommen unsere Gutenachtgeschichten!“, verkündete Paula und schielte auf den Bücherstapel, den sie sich unter das Kinn geklemmt hatte. „Nichts für schwache Nerven, Mäxchen!“
Ihr Bruder schnitt ihr eine Grimasse.
„Und jetzt macht mal Platz, ihr drei!“, rief Paula.
Max rückte nach rechts. Der elegante Herr, der neben ihm saß, rutschte in die andere Richtung. Dabei kraulte er den kleinen, weißen Hund, der sich auf seinem Schoß zusammengerollt hatte und schlief.
Paula warf die Bücher auf die Bettdecke, vollführte eine Hockwende und ließ sich auf den Po plumpsen.
„Oh, Schauergeschichten von
Weitere Kostenlose Bücher