135 - In der Falle
mit Essen in den Händen, betrat Conrad von Leyden ihren Turmkerker. Er trug Schutzanzug und Helm. »Vorläufig musst du schon mit mir Vorlieb nehmen.« Er knallte das Tablett auf den Tisch neben dem Fenster. »Los, zieh dich aus! Einen Besseren als mich findest du in ganz Euree nicht.« Er stellte sich vor sie und begann seinen Anzug zu öffnen. Jenny spuckte ihm ins Gesicht und stieß ihn aus der Zelle…
***
Berlin, Anfang Februar 2521
Kleine Eiszapfen am Pelz seiner Kapuze rahmten sein Gesicht ein. Frost klebte ihm in Bart und Brauen. Die kalte Abendbrise riss ihm die Dampfwolken seines Atems von der triefenden Nase. Bulldogg drückte sich an die Wand neben der Fensteröffnung.
Zwischen den Ruinen vor der niedergerissenen Mauer huschten fellvermummte Gestalten mit Fackeln hin und her.
Auch in den Gebäuden, in denen gearbeitet wurde, flammten die ersten Lichter auf. Noch einmal fasste Bulldogg den Dachturm an der Rückseite des Palastes ins Auge. Gut drei Speerwürfe entfernt erhob sich das Palastdach aus der Schar der niedrigeren Gebäude Beelinns. Dort oben hatten sie die Königin eingekerkert. Bulldogg hatte es von einem der letzten beiden freien Männer der Siedlung erfahren.
Er entfernte sich vom Fenster und stieg hinauf zum obersten Stockwerk der Hochhausruine. Dort entzündete er eine kleine Öllampe. In ihrem Schein ließ er sich auf seine Knie nieder, kramte ein winziges Lederstückchen aus der Tasche seiner Felljacke und griff dann in die Innentasche. Behutsam zog er ein schwarzbraunes Wesen heraus, nicht viel größer als seine Faust: einen von Watzlowersts zahmen Nachtflüglern, ein Junges noch, gerade dressiert.
»Brav, mein Flugzwergchen, so ist’s brav…« Beruhigende Worte murmelnd, befestigte er das Lederröllchen am linken Bein des Tieres. »Brav, ganz ruhig…«
Das Leder enthielt eine Nachricht von Rudgaar. Den Batera in den hohlen Händen haltend, schritt Bulldogg zum Fenster.
»Der Turm auf dem Dach, dort flieg hin!« Er streckte die Arme zum Fenster hinaus. »Da, wo das Dorf am höchsten ist! Zu Königin Jenny…« Das Tier flatterte in die Dämmerung. »… damit sie erfährt, dass ihre Getreuen leben. Damit sie weiß, dass wir für sie kämpfen werden…«
***
Ich brauch doch nur was zum Anziehen…
Metallketten rasselten, es machte Klick, und noch einmal Klick. Ehe sie sich versah, hatte der Uniformierte ihr Handschellen angelegt. Sein Partner leuchtete mit einer Stablampe in den Hof hinein. Der Lichtkegel verharrte abrupt auf den beiden Toten. »Sie hat sie umgebracht!«, rief der Bärtige. »Sie hat sie umgebracht!« Er zitterte am ganzen Körper.
»Das kannst du dem Haftrichter erzählen.« Der Lichtkegel wanderte jetzt über ihren nackten Körper, verharrte auf ihren gefesselten Händen. Sie waren voller Blut.
»Warum laufen Sie nackt durch die Stadt?«, herrschte sie der an, der sie gefesselt hatte.
»Ich… ich weiß auch nicht.« Sie versuchte zu lächeln, versuchte hilflos und schutzbedürftig zu wirkten. »Geben Sie mir etwas zum Anziehen, bitte!«
»Bring mal ‘ne Decke«, sagte der Uniformierte, der sie festhielt. »Und gib im Revier Bescheid. Die sollen in den psychiatrischen Kliniken anrufen. Vielleicht ist sie irgendwo durchgebrannt.« Der andere nickte. An Handschellen schleppte er den Überlebenden der drei Bärtigen zum Streifenwagen.
»Und dann die Spurensicherung her, und Verstärkung natürlich.«
»Nehmen Sie die Ketten weg«, forderte sie. »Sie können mich nicht einfach fesseln!« Wenigstens ihre Stimme kam ihr vertraut vor.
»Ist gut, ist ja gut.« Der Uniformierte zerrte sie zum Wagen.
»Ganz ruhig bleiben, Madame.«
»Weg mit den Ketten! Was erlauben Sie sich! Ich bin eine Königin!«
»Schon klar.« Er öffnete die Hintertür auf der Beifahrerseite. »Und ich bin die älteste Tochter des Papstes.«
Der Bärtige saß bereits im Fond. »Bloß nicht zu mir!«
Flehend hob er die gefesselten Arme. »Heiliger Jägermeister! Du wirst doch das Biest nicht zu mir setzen wollen!«
»Rutsch schon rüber!« Der Uniformierte nahm eine Decke entgegen, die sein Partner ihm vom Fahrersitz aus reichte. »So was Leckeres kriegt einer wie du doch nicht mal im Traum zu sehen!« Er wollte sich aufrichten, um ihr die Decke umzuhängen, doch sie riss sich los, stieß ihn in den Wagen und zog ihm die Waffe aus dem Holster. Bevor der fluchende Uniformträger sich wieder aufrappeln konnte, hatte sie die Pistole schon entsichert.
Sie schoss drei Mal.
Danach
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