1396 - Die verborgene Welt
Tarkan verzweifelt versuchte, ihr etwas begreiflich zu machen, aber sie hatte gleichzeitig das sichere Gefühl, daß sie ihn nicht verstehen würde, selbst wenn sie ihm noch stundenlang zuhörte. Da es ihm jedoch ungeheuer wichtig zu sein schien, bewahrte sie die Geduld.
Der Kartanin schien zu spüren, was in ihr vorging. Er seufzte und senkte resignierend den Kopf. „Ich weiß, daß es schwer zu verstehen ist", gab er zu. „Aber ich fürchte, die Benguel haben noch nicht einmal eine eigene Intelligenz. Was wir dafür halten - für ihr Bewußtsein, ihre Seele, oder wie immer du es nennen willst -, ist allem Anschein nach nur so etwas wie eine Leihgabe, wie ein Kleidungsstück, das man irgendwann ablegt. Und wenn das geschieht, bei der Geburt eines Nachkommen, dann kommt unter diesem abgelegten Kleidungsstück der echte, wirkliche Benguel zum Vorschein, und das ist ein tierhaftes, halbintelligentes Wesen, das durch dieses Kleidungsstück nicht verändert wurde. Es hat keine Erinnerung an sein bisheriges Leben, es sehnt sich auch keineswegs danach zurück. Es ist sich der Veränderung, die mit ihm geschehen ist, nicht bewußt."
„Das ist immer noch kein Grund, die Mütter direkt nach der Geburt ihrer Kinder nackt und ohne jede Ausrüstung in den Wald zu jagen!" sagte Nikki Frickel, die sich der schrecklichen Szene auf Waliki noch sehr deutlich erinnerte. „Sie werden nicht davongejagt", behauptete Oogh at Tarkan eindringlich. „Es ist nicht nötig, denn sie gehen freiwillig. Sie können mit dem Leben in einem Raumschiff nichts mehr anfangen. Ihre Umgebung und ihre Artgenossen sind ihnen fremd geworden. Sie legen dieses Kleidungsstück ab und kehren zu ihrem eigentlichen, angestammten Leben zurück. Das ist nicht grausam - jedenfalls nicht für die Benguel."
Nikki Frickel hätte es gerne verstanden, schon um Oogh at Tarkan einen Gefallen zu tun, aber es ging nicht. Das Gerede mit dem Kleidungsstück leuchtete ihr nicht ein. Die Benguel flogen mit Raumschiffen durch die Gegend, und sie konnten sprechen - es waren keine Tiere, Wie konnte ein Wesen in einem Teil seines Lebens als Mitglied einer - zumindest halbwegs - zivilisierten Gemeinschaft fungieren und sich dann in ein Tier zurückverwandeln?
Nikki Frickel wurde den Verdacht nicht los, daß dies ein rein medizinisches Problem war. Selbst wenn ein Benguel - aus welchen Gründen auch immer - mit der Geburt eines Nachkommen auf ein tierhaftes Niveau zurückkehrte, war es die Pflicht der Gemeinschaft, auch weiterhin für ihn zu sorgen, ihm Unterkunft, Nahrung und medizinische Versorgung zu gewähren und alles zu tun, was nötig war, um ihn wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Was immer auch mit den von diesen Vorgängen betroffenen Benguel geschehen war - es sollte möglich sein, es zumindest teilweise rückgängig zu machen. Und selbst wenn dies nicht möglich war: Die Benguel hätten es wenigstens versuchen können.
Genau das taten sie jedoch nicht. Sie gaben einfach auf. Sie zeigten sich nicht im geringsten geneigt, sich dem Problem zu stellen, sondern sie wichen ihm aus und redeten sich und anderen ein, daß es nicht anders ging.
In Nikki Frickels Augen war dies ein Zeichen fehlender Moral.
Nein - sie mochte die Benguel nicht, und Oogh at Tarkan konnte daran nichts ändern. Außerdem fragte sie sich, was das alles mit „Narna" zu tun hatte.
Und wieder schien Oogh at Tarkan sie zu verstehen, bevor sie den Gedanken aussprechen konnte. „Da die Benguel in ihrem tiefsten Innern das bleiben, was sie ursprünglich waren und immer noch sind", fuhr er fort, „sind auch ihre Instinkte noch intakt. Sie liegen so dicht unter der Oberfläche, daß man sie mühelos aktivieren und die Benguel auf diese Weise beeinflussen kann. Auf Waliki haben wir gehört, daß die Benguel vielerorts große Schäden angerichtet haben. Dazu hätte es niemals kommen müssen, wenn die Völker von Hangay sich jemals bereit gefunden hätten, sich mit diesem Problem ernsthaft zu befassen. Die Ursprache der Benguel ist sehr einfach und umfaßt nur wenige Begriffe. Jeder dieser Begriffe ist ein Signal, und die Benguel sind nicht imstande, solchen Signalen zu widerstehen."
Nikki Frickel sah endlich Licht am Ende des Tunnels. Sie begann zu begreifen, worauf dieser uralte Kartanin hinauswollte. „Man kann sie mit diesen Begriffen steuern?" vergewisserte sie sich. „Ja."
„Das ist eine phantastische Entdeckung!"
Im Geist sah sie bereits die Schiffe der Galaktiker auf dem Weg zu all
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