1666 - Der weite Horizont
wenn du es noch nicht verstehst. „Von welchen Wegen sprichst du, Attan? Was führt zusammen? Und - warum zeigst du dich jetzt nicht?"
Es war keine Beschwörung, bei der alles wie in einem tiefen Traum ablief. Boccu war hellwach. Bei den magischen Ritualen erschien ihm der Geistvogel als mächtiges Wesen. Er konnte es sehen, aber nicht mit den Augen. Es war mehr ein Spüren.
Diesmal sah er seinen Geistführer ganz anders, und vor Entsetzen brachte er keinen Laut hervor. Er schob sich mit dem Rücken am Felsen hoch und begann zu zittern.
Attan entstand aus dem schwarzen Dunst. Der Nebel zog sich zusammen und formte den Geistvogel. Es war genau andersrum als früher. Da hatte das schwarze Nichts Attan gefressen. Jetzt wurde der Vogel aus ihm heraus erschaffen.
Und kam näher, immer näher auf Boccu zu. Attan wurde größer, wuchs nach den Seiten. Seine ausgebreiteten Schwingen schienen Boccu umschließen und ersticken zu wollen.
Laut schreiend rannte der Nasran um den Stein herum und zu den Himmelsfahrzeugen der Fremden. Diejenigen, die zurückgeblieben waren, fingen ihn auf, bevor er in die Schlucht stürzen konnte.
Sie stellten ihm Fragen, aber er hörte sie kaum. Es dauerte eine ganze Weile, bis er es wagte, sich umzudrehen.
Das schwarze Nichts und der Geistvogel waren verschwunden. Statt dessen stand Kruff vor ihm und legte beide Hände an den Kopf. „Weißt du es jetzt?" fragte er. „Das Weite Land ist nahe, sehr nahe."
„Kommt es von dort?" fragte Boccu. „Das Schwarz?"
Kruff zögerte lange mit der Antwort. Er schien nachzudenken, aber auch Angst zu bekommen. Ja, er zitterte tatsächlich. Boccu wiederholte die Frage, und Kruff antwortete endlich: „Ich werde dich bis dorthin begleiten, wo alle Fragen aufhören, Erhabener. Ich möchte von dir lernen, hoffe aber, daß du den Weg ins Leben zurück wählst. Ich muß dir dienen, aber die Götter haben nicht von mir verlangt, auch mit dir zu sterben.
4.
Perry Rhodan; 23. Dezember 1206 NGZ Sein erster Eindruck war: Kälte.
Sie waren unangefochten zwischen den Felshütten gelandet. Zuerst hatte es so ausgesehen, als wollten die Eingeborenen sie mit großen Steinen angreifen, aber dann hatten sie die Steine wieder fallen gelassen und schweigend beobachtet, wie die Fremden, die aus dem Himmel gekommen waren, sich erst einmal umsahen. Sie hatten einen Kreis um sie gebildet und warteten offenbar ab. Perry Rhodan hatte das Gefühl, daß sie ihn und seine Begleiter einkesselten. Eine namenlose Drohung kam von ihnen herüber, obwohl – oder gerade weil? - sie sich nicht rührten. Sie starrten die Fremden an, das war alles.
Aber wie sie starrten!
Es waren anderthalb Meter hohe Gestalten mit tonnenförmigen Körpern und lederartiger, dunkelgrauer Haut.
Ihre Köpfe besaßen spitze, kurze Ohren, weit vorstehende Nasen, schnauzenförmige Münder mit Raubtiergebissen, dazu Augen, die keine Pupillen besaßen. Sie waren weiß und wirkten eiskalt. Rhodan drängte sich unwillkürlich der Vergleich eines Angeklagten auf, der von Richtern und Geschworenen umringt war, die schweigend auf ihn starrten und dachten: schuldig, schuldig, schuldig! „Keine sehr angenehmen Zeitgenossen", flüsterte Nadja Perry zu. „Wenn ich an unseren Boccu denke - krasser kann ein Unterschied nicht sein."
„Sie haben vielleicht nur Angst", meinte Rhodan.
Er zwang sich, die stechenden Blicke zu ignorieren, und sah sich um. Es gab keinen Dorfplatz. Die Hütten waren so wahllos in die Schlucht gesetzt worden, als hätte es niemanden interessiert, ob sie die wenigen Wege verbauten oder Raum für Versammlungen ließen.
Zu beiden Seiten der Schlucht ragten die Felswände fast senkrecht in die Höhe. Da, wo die beiden Shifts standen, ging es fast hundert Meter unerklimmbar hinauf.
Rhodan sah einen Raumfahrer aus Hennas Gruppe, der herunterwinkte.
Es war ihm unverständlich, wie in dieser Öde überhaupt jemand existieren konnte. Die dürren Büsche hatten vielleicht einige Früchte, die eßbar waren. Es gab in Felsvertiefungen ungewöhnlich viele Nester von Vögeln, die wahrscheinlich gejagt und verzehrt wurden. Bestimmt fanden sich in den Schluchten noch andere Tiere -aber reichte das aus, um zu überleben? „Da tut sich etwas", meldete Herwing Arsak, über das ganze Gesicht strahlend, als einer der Eingeborenen sich von den anderen löste und mit aggressiven Gesten näher kam. Arsak hatte immer einen klugen Spruch parat und merkte nicht, wie oft er anderen Menschen mit seinen
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