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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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unwillkürlich lachen; da fiel er schnell ein:
    „Warum lachst du da? Etwa über mich? Ich kann doch nichts dafür, daß Hanneh, die Wonne meiner Augen, grad auf diese stinkende Retschina fena gekommen ist! Sie fragte mich, ob man jemandem eine Rose zeigen dürfe, und ich mußte dies natürlich bejahen. Hierauf wollte sie wissen, ob es die Höflichkeit gestatte, jemandem ein Stück Retschina fena vor die Nase zu halten, und ich verneinte es. Kaum hatte ich das getan, so warf sie mir vor, daß sie von mir nicht wie eine duftende Rose, sondern wie stinkende Retschina fena behandelt werde. Sie behauptete, die Frauen des Orients würden von ihren Männern genau so eingewickelt, wie man die Retschina fena einwickelt, damit keine Nase von ihr beleidigt werde; das sei die größte Kränkung, die es geben könne; das müsse anders werden, denn so eine Entwürdigung des weiblichen Geschlechtes könne unmöglich länger geduldet werden! Ich sage dir, sie verlangte in ihrem Zorne auch Eisenbahnen und auch Lokomotiven hierher zu uns; sie wolle sich nicht länger als Retschina fena behandeln lassen, sondern auch im Wagen sitzen wie die Frauen des Abendlandes, die keine Puppen, sondern Herrinnen seien und ganz dieselben Rechte wie ihre Männer hätten! Denke dir, Rechte! Meine Hanneh, die schönste, die ruhigste, die sanfteste, die geduldigste, die liebenswürdigste aller Liebenswürdigkeiten, sprach von Rechten, von denselben Rechten, wie die Männer haben! Ist das nicht unerhört?“
    „Nein.“
    „Nicht? Wie denn?“
    „Ich halte es für selbstverständlich, nicht für unerhört.“
    „Aber was soll daraus werden, wenn die Frauen nicht mehr so zurückgehalten werden, wie es jetzt geschieht!“
    „Zurückhalten? Meinst du vielleicht, daß sie dann wie wilde Tiere über uns herfallen, um uns zu verschlingen?“
    „Nein; du mußt nicht gleich das Allerschlimmste sagen. Ich war aber der Ansicht, daß man ihnen sehr enge Grenzen ziehen muß.“
    „Welche Grenzen zum Beispiel?“
    „Es muß ihnen verboten sein, auszugehen, sobald es dunkel ist!“
    „Gut; weiter!“
    „Sie müssen es vermeiden, mit einem Manne, der nicht ihr Mann ist, allein zu sein.“
    „Das verlangst du im vollen Ernste?“
    „Jawohl! In dieser Beziehung verstehe ich keinen Spaß. Gegen eine Frau, welche diese Gesetze übertritt, muß man sich genau so wie der Padischah gegen seinen Harem verhalten!“
    „Wie?“
    „Er läßt solche Frauen in einen Sack binden und in das tiefste Wasser werfen.“
    „Wirklich?“
    „Ja, das tut er, und ich sage, daß dies ganz richtig von ihm ist!“
    „Lieber Halef, hast du vielleicht einen Sack mit?“
    „Ja, mehrere, für die Pferdedatteln.“
    „Sind sie groß genug, eine Frau hineinzustecken?“
    „Nein.“
    „Schade, jammerschade!“
    „Warum?“
    „Wir hätten deine Hanneh in einen solchen Sack gesteckt und in das erste Wasser geworfen, welches wir antreffen.“
    „Meine Hanneh? Die allernotwendigste Notwendigkeit zum Glücke meines Erdenlebens?“ fragte er erstaunt.
    „Leider!“ nickte ich sehr ernst.
    „Sie in einen Sack stecken?“
    „Ja.“
    „Und in das Wasser werfen?“
    „In die tiefste Stelle sogar!“
    „Warum? Sag schnell, warum?“
    „Weil sie gegen die beiden Gesetze gehandelt hat, welche du vorhin aufstelltest.“
    „Du scherzest, Effendi, du scherzest!“
    „Nein. Ich bin Zeuge, daß sie es getan hat!“
    „Sihdi, mach mich nicht unglücklich! Meine Hanneh wäre mit einem Manne, der nicht ich war, allein gewesen?“
    „Ja; sogar in tiefer Dunkelheit, beim Neumonde, ganz hinter den Zelten eures Lagers.“
    „Ich sterbe! Ja, ich sterbe vor Trauer, obgleich ich es für vollständig unmöglich halte, daß sie dieses größte aller Verbrechen begangen haben kann! Aber du sagst es, Effendi, du, der mein erster und bester Freund ist und mir so etwas nicht mitteilen wird, ohne es beweisen zu können!“
    „Ich habe dir schon gesagt, daß ich Zeuge bin, und ich teile dir jetzt mit, daß es noch einen zweiten Zeugen gibt.“
    „Noch einen? Der es gesehen hat?“
    „Ja.“
    „Wer ist das? Sag es! Heraus damit! Diesen Halunken bringe ich augenblicklich um, weil er es mir verschwiegen hat!“
    „Lieber Halef, das würde Selbstmord sein!“
    „Selbst – – –?“
    „Ja, denn du selbst bist dieser zweite Zeuge.“
    „Ich – – – ich – – – ich selber!“
    „Ja.“
    „Effendi, du wirst mir immer unbegreiflicher!“
    „Du scheinst es vergessen zu haben;

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