21 - Stille Wasser
doch?
Wenn man am Höllenschlund lebte, war das eine durchaus berechtigte Frage. War Angel ein Mensch? Willow brauchte nicht lange darüber nachzudenken. Dämon oder nicht, Angel war ein Mensch und keine »Kreatur«. Es hatte etwas mit Mitgefühl zu tun, damit, wie weit man sich der Dinge, die man tat, bewusst war, ebenso wie der Folgen, die sie für andere Menschen hatten...
Ariel ist auch ein Mensch, entschied Willow. Ein kleiner zwar und ein wenig absonderlich vielleicht, aber auf jeden Fall ein Mensch. Und, was noch wichtiger war, sie war eine Freundin.
Als sie Ariel aus Giles’ Wagen herausgelassen hatten, war sie schnurstracks zum Ozean hinuntergerannt. Dann, ohne dass jemand hinter ihr hergerufen hätte, war sie plötzlich stehen geblieben, hatte sich, während sie unablässig an ihrem Seehundfell herumzupfte, die salzige Meeresbrise um die Nase wehen lassen und dabei so herzzerreißend traurig ausgesehen, dass Buffy nicht umhin konnte, sich augenblicklich zu ihr herabzubeugen, um sie fest an sich zu drücken.
Die Erinnerung daran ließ Willow lächeln. »Selbst Buffy wird sie vermissen«, sagte sie leise. Oz nahm sie verständnisvoll in den Arm.
»Hey, freu dich doch. Ariel kann wieder nach Hause zurück.«
Willow drückte sich fester an ihn. »Ich weiß. Ich hatte nur... niemals eine kleine Schwester. Alle waren immer viel größer als ich.«
»Ich nicht.«
Willow musste kichern und Ariel wachte mit einem piepsenden Geräusch auf, streckte sich ein wenig, drehte sich herum und schaute verschlafen zu den beiden Menschen hinauf.
»Hallo, Kleines. Bist du bereit?«, fragte Willow. Das Selkie schien den Sinn ihrer Worte offensichtlich am Tonfall zu erkennen, denn es nickte eifrig und wandte seinen Blick gen Ozean.
Das Meer war immer noch eine schwarzblaue Fläche, lediglich die weiße Gischt der sich am Strand brechenden Wellen war bereits vage zu erkennen. Es war nicht schwierig, sich vorzustellen, dass unter der Oberfläche eines solch unergründlichen Gewässers eine Gefahr lauerte, die nur darauf wartete, einen hinab in die Tiefe zu zerren.
»Ich denke, in Anbetracht der Merrows werde ich wohl lieber auf einen Surfkurs verzichten«, sagte Xander.
»Ein weiser Entschluss«, stimmte Oz zu.
Giles, Angel und Buffy gingen am Wasser entlang und schienen über irgendetwas zu diskutieren, das die Jägerin dazu veranlasste, wild mit den Armen zu gestikulieren. Dem Anlass entsprechend trug sie weiße Shorts, Turnschuhe und ein sportliches Stretchoberteil. Willow blickte auf ihre Denim-Shorts hinunter und verspürte ein kurzes, allzu vertrautes Gefühl von Resignation.
Nichts Besonderes, dachte sie, genau wie meine Beine – zu blass, zu kurz und nicht gerade das, was man wohlproportioniert nennt, aber es sind meine. Und Oz gefallen sie.
Xander war in T-Shirt und Badehose gekommen, deren kariertes Muster so erstaunlich war, dass niemand dafür Worte fand. Oz’ Strandensemble hingegen bestand aus alten abgewetzten Jeans und einem verwaschenen Flanellhemd mit hochgekrempelten Ärmeln.
Selbst Giles hatte sich angesichts des Risikos, bei dem geplanten Unternehmen möglicherweise ein klein wenig nass zu werden, zu einigen Konzessionen hinreißen lassen. Sein Outfit bestand aus frisch gebügelten Jeans und einem grauen Pullover, der definitiv schon bessere Tage gesehen hatte. Allerdings waren seine Schuhe für den Strand denkbar ungeeignet.
»Du kannst einen Mann aus seiner Tweedjacke herausholen, aber niemals den Tweed aus dem Mann«, sagte Xander, der ihren Blicken gefolgt war.
»Kann mir Giles in Shorts gar nicht vorstellen«, meinte Oz.
Xander schüttelte sich. »Bitte, mein Bedarf an Traumata ist bereits gedeckt, vielen Dank.«
»Dul abhaite anois?«, fragte Ariel mit kläglicher Stimme.
Willow schaute zu dem Selkie hinunter, das nun an ihren Shorts zerrte. »Ja, du kommst bald wieder nach Hause. Hoffe ich.«
Ariel gab einen zufriedenen Laut von sich, setzte sich wieder hin und wartete geduldig weiter, in der festen Überzeugung, dass diese Menschen in der Lage sein würden, ihr zu helfen.
Die hat den besseren Job, dachte Willow, und Flugzeuge begannen in ihrem Magen zu kreisen, als sie sich ausmalte, was alles schief gehen konnte. Sind das die Gefühle von Eltern? Ich bin noch nicht bereit dafür...
»Spinn jetzt bloß nicht rum, Will«, sagte Xander.
»Tue ich das? Woher willst du das wissen?«
Xander machte eine wegwerfende Geste. »Seit wie vielen Jahren beobachte ich dich nun schon
Weitere Kostenlose Bücher