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266 - Das Todesschiff

266 - Das Todesschiff

Titel: 266 - Das Todesschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Plan, als Freibeuter übers Meer zu fahren und in den versunkenen Städten fremder Länder Kisten voller Gold und Geschmeide zu bergen, noch nicht aufgegeben. Obwohl ihm Protz jeder Art zuwider war, hatte er wieder einmal die traurige Erfahrung machen müssen, dass große Frauen kleinen Männern nur Beachtung schenkten, wenn diese in Goldstaub, Edelsteinen oder Bax-Karten badeten.
    Sepp hielt sein Gesicht in den kalten Wind und nickte vor sich hin. Ja, so war es. Große Frauen schenkten kleinen Männern niemals die Beachtung, die sie verdienten. Wenn er das ändern wollte, musste er groß herauskommen.
    Sepp rutschte mit einem Seufzer von der Mauer herab. Als er sich umdrehte, kam ihm auf der menschenleeren Promenade aus westlicher Richtung ein großer Mann entgegen. Dass er doppelt so groß war wie Sepp, war noch nicht das Schlimmste: Schlimmer war sein ekelhaft überlegenes Grinsen. Bevor der Mann ihn erreichte, wusste Sepp schon, was er sagen würde, wenn er vor ihm stand: »Na, Kleiner, wie ist denn die Luft da unten?«
    Rrrrah! Sepp ballte die Hände unter seinem Umhang zu Fäusten. Ich lass mir das nicht mehr gefallen , dachte er und legte die Rechte auf sein Kurzschwert. Er wollte diesen Spruch nicht mehr hören. Der Nächste, der ihm diese demütigende Frage stellte, würde eine Sekunde später in seinem Blute zuckend im Rinnstein liegen. »Komm nur«, murmelte Sepp. »Komm her und sag es. Ich mach dich kalt!«
    »Ja, 's ist werklisch saukalt.« Der Mann blieb stehen. Er trug einen spitz zulaufenden schwarzen Schlapphut, wie eine britanische Hexe. Seine Kleider waren als solche gerade noch erkennbar. Er roch nach Alk und südländischen Gewürzen. Sein Gesicht war blass und schwarz gestoppelt, sein Haar verfilzt und schwarz, wie auch seine Augen und Zähne.
    Bäh , dachte Sepp.
    »Mein Name ist Helmoot«, nuschelte der Fremdling. »Einst war ich ein berühmter Barde, bis der Alk mich in die Finger kriegte und es mit mir bergab ging. Nun verdiene ich mir meinen Lebensunterhalt als Fischer, doch nach dem langen Winter bin ich schwach und zitterig.« Ein Knurren kam aus seiner Kehle. »Hört Ihr, wie hungrig ich bin, guter Herr? Ich habe seit sieben Tagen nichts gegessen. Trinken tu ich schon lange nicht mehr, bei Wudan! Habt Ihr vielleicht eine milde Gabe für mich, damit ich mir ein bescheidenes Mahl leisten kann?« Schon kniete er vor Sepp und blies ihm seine übel riechende Alkfahne ins Gesicht.
    Sepp Nüssli war über die Frechheit des Trunkenboldes so verdutzt, dass die alten eureeischen Münzen aus seinem Wams schon den Besitzer gewechselt hatten, bevor er begriff, dass er genasführt worden war.
    Helmoot küsste das Geld. Sepp nahm sich vor, sich nie wieder von Phrasen wie »guter Herr« einseifen zu lassen.
    »Ich weiß nicht, wie ich Euch danken soll, guter Herr«, nuschelte Helmoot. Er stand auf. »Wenn Ihr es wisst, sagt es mir, denn gleich bin isch fott, um meinen hungrigen Magen zu füllen.« Er deutete auf eine flach hingeduckte Schänke kurz vor dem Marktplatz. Laut dem grammatikalisch nicht einwandfreien Schild über der Eingangstür hieß sie »Zum Glatze«.
    »Oh, da wüsste ich schon was!« Sepp deutete über die Mauer hinweg. »Ich suche ein Schiff, dessen Eigner eine weite Reise plant. Kennt Ihr vielleicht einen Kapitän, der einen wackeren Burschen brauchen kann?«
    »Kennt Ihr einen solchen?« Helmoot lachte. »War nur ein Ulk, guter Herr.« Er klopfte Sepp auf die rechte Schulter. »Sucht Ole Rotbaad. Er ist der Kapitän der Brigg Duopfa und hat Orguudoo schon oft ein Ohr abgesegelt!« Mit diesen Worten hüpfte er über die Straße. Auf halbem Wege zum Gasthof stieß er einen Schrei aus - wie ein Schurke, der sich freut, weil er gerade einen gutmütigen Deppen hereingelegt hat. Im Nu war er in der Lokalität verschwunden.
    Sepp blieb allein zurück und schaute sich um. Es war noch früh am Morgen, deswegen war die Promenade von Smörebröd menschenleer. Laut dem Kutscher lebten in diesem Ort nicht nur friedliche Strandräuber mit ihren Familien, sondern auch mehrere lichtscheue Elemente, die nie genau sagten, wovon sie eigentlich lebten. Der hiesige Vertreter des Vatikans hatte Sepp hinter vorgehaltener Hand zugenuschelt, nichts läge ihm ferner, als seine Schäfchen zu denunzieren, aber: »De Dywel soll meck holn, wenn dat keyn Seeroybers und Halsabschneyders sind!«
    Tja. Sepp wandte sich erneut den Schiffen zu. Es waren nur zwei. Da es anstrengend war, sich an die Mauer zu krallen,

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