37 - Satan und Ischariot I
Buben sagten mir ade, indem sie meine Beine umschlangen und ihre Nasen an meine neue Hose wischten. Señorita Felisa wollte ihr Taschentuch an die Augen führen, da sie aber an Stelle eines solchen augenblicklich gerade nur den schwarzen Herdlappen in der Hand hatte, so rieb sie sich die Traurigkeit mit Ruß ins tränende Gesicht, was auf mich einen weit tieferen Eindruck machte, als wenn sie sich eines wirklichen Nasetüchleins bedient hätte. Und Doña Elvira richtete sich so weit auf, daß ich beinahe ihr Gesicht deutlich gesehen hätte, und winkte mir mit der müden Rechten ein Lebewohl zu. Für den Hund hatte ich ein Stück Wurst mitgebracht, welches ich ihm zum Abschied verehren wollte, da ich Gründe hatte, anzunehmen, daß er nie im Leben so etwas gekostet hatte. Geronimo und Felisa gingen mit in den Hof. Als ich die Wurst aus der Tasche zog und sie dem Hund hinhielt, schnappte aber die Señorita noch eher zu als er. Sie riß mir die Liebesgabe aus der Hand und sagte:
„Was tun Sie da, Señor! Ich glaube gar, Sie wollen diese Delikatesse an das Tier verschwenden! Sie gehört mir, und ich werde sie in der Erinnerung an Sie verspeisen.“
Sie gab der Erinnerung aber keine Zeit, in ihr Recht zu treten, sondern biß sofort höchst tapfer ein, was ihren Vater veranlaßte, einen schnellen Griff nach ihrer Hand zu tun, um ihr die Wurst zu entreißen und an der Erinnerung teilzunehmen. Sie entfloh mit einem Schreckensruf, und er rannte hinter ihr her, was mir Gelegenheit gab, das gastliche Haus nun ohne weitere Angriffe auf meine Wurst und auf mein Herz zu verlassen. Der Hund mußte sich freilich nun mit einem Streicheln begnügen, was wahrscheinlich weniger nahrhaft war als das ihm so räuberisch entzogene Abschiedsgeschenk. Dann eilte ich zu Melton, der vor dem Haus auf mich wartete, und schritt mit ihm dem Hafen zu, wo wir ein Boot bestiegen, um uns nach dem Schiff rudern zu lassen.
Letzteres war ein kleiner Schoner, wie ihn, wenigstens damals, nur die Yankees zu bauen verstanden, ein schneller Segler und mit so viel Leinwand an den Masten, daß er selbst bei der flauesten Luft nicht festzuliegen brauchte. Als wir an der Seite des Schoners anlegten und man uns von oben die Fallreepen zuwarf, sahen viele Köpfe über Bord, um uns in Augenschein zu nehmen. Wir stiegen empor. Als ich das Deck betrat, war die erste Person, welche ich erblickte, ein vielleicht achtzehnjähriges, äußerst schmuck gekleidetes Mädchen mit orientalischen Zügen von ungewöhnlicher Schönheit. Der Anzug, welchen es trug, bestand aus Schnürstiefeln, weißen Strümpfen, rotem, mit dunklem Samt umsäumten Rock und einem blauen Mieder, welches mit silbernen Hefteln und einer ebensolchen Kette geschmückt war. Ein kleines, mit einer Feder verziertes Hütchen saß auf dem vollen, in zwei Zöpfen hinten weit herabhängenden Haar. Diese Kleidung paßte wohl mehr auf einen Maskenball als hierher auf das Deck eines amerikanischen Transportschiffes für Auswanderer. Neben dem Mädchen stand ein hagerer, ältlicher Mann, dessen Gesicht den ausgesprochensten jüdischen Typus zeigte. Sein Anzug ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, daß er ein polnischer Hebräer sei. Als sein Blick auf den Mormonen fiel, entfuhr ihm der halblaute, unwillkürliche Ausruf „Djabel!“ Obgleich ich der polnischen Sprache nicht mächtig bin und nur wenige Worte derselben kenne, wußte ich, daß dieser Ausruf ‚der Teufel!‘ bedeutete. Der Mormone brachte also auf diesen Juden ganz denselben Eindruck hervor, den er auf mich gemacht hatte, obgleich sein Gesicht keine Spur von dem besaß, was der gewöhnliche, ungebildete Mann sich unter ‚teuflisch‘ denkt.
Die anderen Passagiere waren arme Leute, wie man gleich auf den ersten Blick bemerken konnte. Sie wußten, daß ihr nunmehriger Führer an Bord kam, und betrachteten Melton mit neugierigen Augen, denn es fiel ihnen nicht etwa ein, mich für den Erwarteten zu halten; mein Äußeres war viel zu anspruchslos dazu. Der Kapitän kannte ihn jedenfalls, denn er kam ihm entgegen und begrüßte ihn mit einem Händeschütteln, welches man nicht für Unbekannte hat. Das sah ich, weil ich scharf aufpaßte, denn ich hielt es für erforderlich, selbst auf die geringste Kleinigkeit achtzugeben. Sie begaben sich beide nach dem Hinterdeck, um sich die für den ersten Augenblick nötigen Mitteilungen zu machen. Ich schlenderte zur Seite, lehnte meine im leinenen Überzug steckenden Gewehre an den Mast und setzte mich auf
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