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37 - Satan und Ischariot I

37 - Satan und Ischariot I

Titel: 37 - Satan und Ischariot I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und da man einen solchen Umweg nicht mit Leuten macht, welche Frauen und Kinder bei sich haben, so glaubte ich, annehmen zu müssen, daß dieser Grund kein lauterer sei. Es war mir infolgedessen der Gedanke gekommen, daß den Auswanderern irgendeine Gefahr drohe, und ich fühlte das Bedürfnis, dieselbe zu erforschen und sie dann zu warnen. Dies konnte ich aber nicht, wenn ich in Guaymas sitzen blieb. Ich mußte also mit. Aber wie? Binden konnte ich mich unmöglich, am allerwenigsten durch einen schriftlichen Kontrakt. Überdies war mir selbstverständlich auch der Umstand im höchsten Grade verdächtig, daß der Mormone mir, den er für einen heruntergekommenen oder gar nichtsnutzigen Menschen hielt, eine so gute Anstellung förmlich an den Hals werfen wollte. Schon dies setzte eine Absicht voraus, welche ich leider jetzt noch nicht durchschauen konnte. Es gehörte Zeit dazu, dieselbe kennenzulernen, und diese Zeit mußte ich zu gewinnen suchen. Darum antwortete ich auf seine letzte Bemerkung:
    „Sie haben recht, Señor. Es würde nicht nur eine Dummheit von mir, sondern auch die abscheulichste Undankbarkeit gegen Sie sein, wenn ich Ihre Güte zurückweisen wollte. Ich würde darum augenblicklich ja sagen, wenn ich mich nicht gezwungen sähe, ein sehr begründetes Bedenken dagegen zu hegen.“
    „Ein Bedenken? Möchte doch wissen, welcher Art dies sein könnte. Wollen Sie sich aussprechen?“
    „Natürlich! Ich habe noch nie ein Buch geführt und noch nie auf einer Hazienda gelebt. Ich zweifle also, den Ansprüchen des Haziendero genügen zu können.“
    „Schweigen Sie doch damit!“ unterbrach er mich. „Ich habe Ihnen ja gesagt, daß es eine wahre Kinderarbeit ist, die Sie zu leisten haben, eine reine Spielerei. Sie tragen ein, was in den Apfelsinengärten und auf den Feldern geerntet wird, und welchen Preis Señor Timoteo dafür bekommt. Sie schreiben ferner auf, wieviel junge Füllen und wieviel Kälber zur Welt kommen. Das ist die ganze Arbeit, die man von Ihnen verlangt.“
    „Und dafür soll ich vollständig freie Station und monatlich hundert Pesos erhalten?“
    „Wenigstens hundert!“
    „So möchte ich allerdings augenblicklich in Ihre Hand schlagen; aber ich möchte doch lieber erst sehen, ob ich eine solche Gage auch verdiene.“
    „Damit beweisen Sie, daß Sie ein Deutscher sind. Als einem Heiligen der letzten Tage geht mir Gottesfurcht und Rechtschaffenheit über alles; Sie aber treiben die Ehrlichkeit gar zu weit. Ihr Deutschen seid doch merkwürdige Leute!“
    „Mag sein, Señor, doch wollen Sie bemerken, daß ich Ihr Anerbieten nicht zurückweise. Ich gehe mit, wenn auch um mich erst dann vollständig zu binden, wenn ich zu der Einsicht gelange, daß ich das, was man mir zahlt, auch wirklich verdiene.“
    „Das ist eine Albernheit. Aber wenn Sie nicht anders wollen, so mag es auch in dieser Weise sein. Aber wie steht es denn mit Ihrer Kasse, auf deren Boden Sie wohl angelangt sein werden? Da Sie nur bedingungsweise mitgehen, sind Sie nicht fest engagiert, und ich habe nicht die Pflicht, für Sie zu zahlen. Freie Fahrt auf dem Schiff ist alles, was ich Ihnen unter diesen Umständen bieten kann.“
    „Ich bin zufrieden damit und habe glücklicherweise noch einige Pesos, welche wohl ausreichen werden, bis wir auf der Hazienda eintreffen.“
    „Aber in Ihrem jetzigen Aufzug kann ich Sie unmöglich mitnehmen. Können Sie einen neuen Anzug erschwingen?“
    „Ja, denn bei der jetzigen Hitze kauft man nur, was leicht und billig ist.“
    „So besorgen Sie das morgen mit dem Frühesten, damit ich nicht auf Sie zu warten brauche. Jetzt gute Nacht!“
    Er nickte mir kurz zu und ging, ohne mir die Hand zu reichen, nach seiner Hängematte. Die Kinder schliefen schon; Señorita Felisa schnarchte; Doña Elvira prustete, und der kleine Geronimo gab im ersten Schlummer Töne von sich, welche ganz genau denen einer nicht geölten Türangel glichen. Ich blies also das Licht aus und suchte den Hof und mein liebes Maisstrohlager auf, wo mich der Hund, welcher sich an mich gewöhnt hatte, mit freundlichem Händelecken empfing. Obgleich ich am anderen Morgen sehr zeitig erwachte und in das Gastzimmer kam, als die liebe Wirtsfamilie noch schlief und in der angegebenen Weise sich akustisch beschäftigte, konnte ich den Mormonen weder sehen noch sprechen, denn er hatte das Hotel bereits verlassen. Wo hielt er sich während des ganzen Tages auf? Niemand wußte es. Auch das war auffällig, denn wer auf ehrlichen

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