49 - Der Zorn von Antares
Luft. Plötzlich empfand ich diesen Ort als schrecklich und abstoßend.
Ich stand im Begriff, mich umzudrehen und die Höhle wieder zu betreten, die zu den Tunneln führte, als ich aus den Augenwinkeln ein silbriges Funkeln wahrnahm. Ich sah genauer hin. Das Silber war keine Illusion, keine Sinnestäuschung.
Vom Rand des Simses, direkt unterhalb meiner Füße, erstreckte sich eine silberne Brücke über den Abgrund. Ich starrte sie an. Über der Brücke hingen hübsche silberne Lampen. Am Himmel schwebten ein paar Wolken, die das rote und grüne Licht der Zwillingssonnen filterten. Die Lampen strahlten heller.
Die Brücke war da. Das war eine Tatsache, daran gab es nichts zu rütteln.
Nun waren der Illusionszauberer San W'Watchun und ich während der Rettung seines berühmten Walls und der Zerstörung des Prismas der Macht prächtig miteinander ausgekommen. Aber ich hatte natürlich nicht vergessen, wie er mich zu dem Glauben verleitet hatte, niemals auf Kregen gewesen zu sein und mich noch immer als Offizier der Royal Navy auf der vierhundert Lichtjahre entfernten Erde zu befinden, dem Planeten meiner Geburt. Der Zauberer hatte die Bemühungen eingestellt, von mir das Geheimnis des Schießpulvers erfahren zu wollen. Es schien ihm ernst damit gewesen zu sein.
Ich setzte vorsichtig den Fuß auf die erste Brückenplanke. Sollte W'Watchun mich loswerden wollen, da ich für ihn nicht länger von Nutzen war, dachte er vielleicht, daß ich seine Herausforderung annähme. Wenn ich die Brücke dann zur Hälfte überquert hätte, würde er sie verschwinden lassen und ich in den bodenlosen Abgrund stürzen.
Die Brücke fühlte sich massiv an. Sie schwankte nicht, dabei wäre das bei dieser Konstruktion und der Stärke des Windes ganz natürlich gewesen. Den einen Fuß auf der Silberbrücke und den anderen auf dem Felssims, dachte ich angestrengt nach. Die Situation erinnerte daran, als hätte man einen Fuß am Ufer und den anderen im Boot. Trieb die Strömung das Boot fort, landete man im Wasser.
Ich holte tief Luft, nahm den Kopf hoch, wölbte die Brust, setzte den zweiten Fuß auf die Brücke und ging ein paar Schritte.
Die Planken setzten sich unvermittelt in Bewegung, der dabei entstehende Ruck ließ mich stolpern und nach dem Geländer greifen, das sich erstaunlicherweise ebenfalls in Bewegung setzte. Ich hielt mich fest und wurde über den Abgrund transportiert.
»Verflixt!« sagte ich laut, zugleich wütend und erleichtert. »Der alte W'Watchun hat es doch tatsächlich geschafft, mit seinen Illusionen meinen Verstand durcheinanderzubringen!«
Dabei war es ganz eindeutig! Ich hätte es sofort erkennen müssen. Die Herren der Sterne holten mich zu sich.
Da dies nun klar war, konnte ich mich auf das Kommende vorbereiten. Ich würde Fragen stellen. Die Everoinye würden mir Rede und Antwort stehen. Oder etwa doch nicht? Würden sie mich wie so oft einfach abwimmeln? ›Es steht dir nicht zu, das zu wissen!‹ Wie oft hatten sie dies auf ihre hochmütige Art und Weise zu mir gesagt? Nun, diesmal ging es um eine wirklich wichtige Angelegenheit – es gab nichts und hatte auch nie etwas gegeben, das auch nur annähernd so wichtig gewesen wäre –, und ich würde weiterfragen. Ich würde bestimmt die Geduld verlieren. Ich würde brüllen und toben. Ich würde beschließen, nie wieder auch nur einen Finger für die Herren der Sterne zu rühren. Nie wieder!
Das stand fest. Queyd-arn-tung! Darüber gab es kein Wort mehr zu verlieren.
Im Verlauf der vielen Perioden seit meiner Ankunft auf Kregen hatten die Herren der Sterne verschiedene Methoden benutzt, mich in ihre erlauchte Gegenwart zu transportieren. Es hatte verschiedene Orte gegeben, an denen sie mich befragt hatten. Noch immer verursachte mir der ehrfurchtseinflößende Transport, mit dem diese Übermenschen mich zu sich in die Höhe holten – natürlich konnte es genausogut die Tiefe sein –, ein eher unbehagliches Gefühl im Magen. O ja, bei Krun, ihrem Spion und Boten, dem Gdoinye, brüllte ich stets Verwünschungen entgegen. Doch es war wesentlich schwieriger, sie genauso zu behandeln.
Die Brücke fuhr langsam auf eine in der Ferne befindliche Wolkenbank zu. Dahinter würde ich vermutlich ein eindrucksvolles goldenes Tor finden oder eine Reihe von Gängen, durch die Stühle rasten – aus eigener Kraft. Was mich auch immer erwartete, ich hoffte, daß die Everoinye einen Willkommensschluck bereitstellten. Bei der Mutter Zinzus der Gesegneten – das
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