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Abendfrieden

Abendfrieden

Titel: Abendfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Buttler
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einem Ruck von sich, so dass sie zur Hälfte auf den Boden fiel. »Das ist ja unglaublich. Ins Schlafzimmer zu kommen. Macht sie das immer? Keinen Tag bleibe ich mehr hier. Wahrscheinlich will sie sich auf Dauer bei dir einnisten. Also, wenn ich mir vorstelle, dass sie hier zwei Türen weiter – und das tagtäglich … da kann man ja total impotent werden.«
    »Danach sieht’s aber nicht aus.« Danzik musste unwillkürlich grinsen. »Außerdem werden nur Männer impotent.«
    »Nein, auch Frauen.« Lauras Ton war schreiend geworden. »Du brauchst gar nicht so blöde zu grinsen. Lateinisch ›potere‹ heißt ›können‹, also in dem Fall ›nicht können‹. Ich pack meinen Koffer!«
    »Laura!« Danzik war aufgesprungen und fasste sie am Arm, wollte sie, als könne er ihre Vereinigung neu zementieren, an sich ziehen. Aber sie riss sich los. »Was heißt denn das, Laura? Bist du mir ernsthaft böse? Willst du mich bestrafen?«
    Er zwang sie, ihn anzublicken. Laura sah den schmerzvollen, verletzten Ausdruck in seinen Augen und hielt beim Anziehen inne. »Nein, Werner, ich bin dir nicht böse. Aber versteh bitte, wenn ich jetzt gehe. Diese Dreisamkeit ist nichts für mich.«
    »Es ist keine Dreisamkeit, nur ein dummer Zufall.« Nun fing auch Danzik an zu schreien. Aber Laura war schon hinausgestürmt, und nach wenigen Minuten stand sie, den Koffer in der Hand, im Flur. »Wann rufst du mich an?«, fragte Danzik gepresst. »Bald.« Laura strich ihm über die Wange. »Mach dir keine Sorgen. Aber ich muss jetzt erst mal an die Luft – okay?«
    Danzik sah ihr aus dem Fenster nach, wie sie in ihren lavendelfarbenen Renault stieg. Als er in die Küche ging, saß seine Mutter bereits am Frühstückstisch, noch immer in dem moosgrünen Nylon-Morgenrock, die Hände klopften auf die leere Platte.
    In diesem Moment fühlte er, wie etwas in ihm aufzuckte. Eine unbezwingbare Abneigung, die heraus wollte aber stattdessen seinen Magen eindrückte. »Ich frühstücke nicht«, sagte er. Dann verließ er das Haus.

6
    Regine Mewes seufzte erleichtert auf. Endlich, die Zeit der Mittagsruhe war erreicht. Ihre Schwiegermutter lag, von ihr und Dörte hineingehievt, im Bett und würde nun zwei Stunden vor sich hinschnarchen. Oben in ihrem Zimmer war das aber nicht zu hören. Regine hatte die Beine auf die Couch gezogen und blätterte in einem Wellness-Katalog. Zwei Wochen von hier weg, das wäre mal ein Traum. Nein, es war nicht nur der ständig schmerzende Rücken, der sie fertig machte, es war der seelische Druck, der sie erschöpfte. Würde ihr so eine Flucht überhaupt nützen? Konnte sie es jemals schaffen, diese Frau aus ihrem inneren Blickfeld zu schieben? Vielleicht würde sie das Gesicht auch dort verfolgen: der kalte, scharfe Blick, die heisere, herrische Stimme … Was sollte sie überhaupt nehmen: Rügen – Usedom – Sylt? Alles klang so verlockend: »Cleopatrabad im Luxus-Whirlpool mit einem Glas Sekt« oder »Rosenblütenbad im Bronzezuber« oder »Körperpeeling mit Tropenregen und anschließender Ölung«. Sie würde wegtauchen und alles vergessen … Oder doch wieder nach Italien? Abano-Montegrotto: Der Blick auf die sanften Euganeischen Hügel, die Rosenbögen im Thermalgarten, der schwarze Fangoschlamm, von einem jungen Masseur auf die Haut geklatscht … Die Italiener gaben einem doch immer Auftrieb. Ununterbrochen hatten sie sie damals zum Tanzen geholt, ihre Seidenbluse war schon ganz verschwitzt gewesen, und wenn man »grazie« oder »buon appetito« sagte, waren sie schon begeistert. Damals. Na ja, es war schon etwas her.
    Immerhin, diesen einen schwiegermutterfreien Tag in der Woche hatte sie Norbert abgerungen. Jeden Mittwochabend ein Schönheits- und Saunaprogramm im Hotel »Mariott« am Gänsemarkt. Sauna nur für Damen. Regine musste unwillkürlich kichern. Wie in einem orientalischen Hamam. Man sagte, die Orientalinnen seien Herrscherinnen im Hause, denen sich die Männer zu beugen hatten. War das Lebenskonzept der westlichen Frauen vielleicht ganz falsch? Geld verdienen bis zum Gehtnichtmehr, Kinder, Haushalt, Mann. Und später die Pflege von Müttern, Schwiegermüttern, Vätern und Schwiegervätern. Nein, das mit den Orientalinnen war Quatsch. Türkische Schwiegertöchter mussten nicht nur bis zum letzten fernen Verwandten jeden bedienen, sondern der Schwiegermutter auch noch die Hand küssen.
    Regine krauste die Nase und schüttelte sich. Es war ja nicht zum Aushalten. Was für ein Lichtblick in dieser

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