Abonji, Melinda Nadj
umso mehr saufen), und als alle dem Brautpaar
gratuliert und ihm schmatzende Küsse gegeben haben, verwandelt sich das dicke,
träge Tier: Die beiden Geiger und Sänger, der Zimbal-Spieler, der Kontrabassist
spielen Lieder in Achteln, bringen die mächtigsten Bäuche zum Wippen, und die
Zähne lachen, weil sie am Glück teilhaben, und allen voran tänzelt Onkel Móric,
der Brautvater, wie man sagt, er tänzelt, schäkert, neckt mit den Schultern und
feuert alle an: Macht schon, bewegt euch, dann habt ihr wieder Platz in euren
Mägen!, und ich erinnere mich an die wachsenden Flecken unter den Achseln der
Männer, glitzernde Stirnen, Haare, die in Strähnen am Hinterkopf kleben,
Tanz!, in dieser Hitze!, mächtige, grossbusige Frauen, die sich andauernd an
Hals und Ausschnitt abtupfen, vor allem erinnere ich mich daran, dass Nomi und
ich mit unseren Kleidern auffallen, aber nicht so, wie wir uns das vorgestellt
hatten, und dabei fällt mir das Wort "Schandfleck" ein (Schandfleck
und Festtagskleid, mit einem Mal gehört das unzertrennlich zusammen). Hat wirklich
jemand, da soll noch einer wissen, wer die Braut ist, gesagt? Hört nicht hin,
sagt Mamika, ihr seht ganz einfach hübsch aus!
Also hören wir nicht hin — ich
möchte bloss wissen, warum diese Schweizer ihre Kinder so anziehen, als wären
sie irgendwas, nur keine Kinder! — und bewegen uns mit den dreihundert Gästen
lachend, singend, tänzelnd, rufend, klatschend zum Hochzeitszelt zurück, wo
das eigentliche Hochzeitsessen beginnt, mit den luftigsten pogäcsa aller Zeiten, einem Salzgebäck
aus Hefe, Schweinegrieben oder Quark, und dazu gibt's Schnaps, die Birne von
Onkel Móric und den Aprikosenschnaps von Herrn Lajos, dem berühmtesten
Schnapsbrenner der Gegend; für die Kinder gibt's Traubisoda, Apa Cola, Yupi und
Tonic, für die Jugendlichen leichten Rotwein, gemischt mit Wasser, und zur
Vorspeise wünscht sich der Bräutigam einen Ausflug, einen kleinen Spaziergang
nach Amerika, das heute zum Glück um die Ecke liegt, ein paar Männer machen
sich auf zum Chevrolet, Nomi, Mutter und ich brauchen diesmal also nicht dabei
zu sein, wird schon schief gehen, sagt Mutter.
Und irgendwann sind wir so
weit, dass wir gar nicht mehr wissen, ob wir das, was wir gerade essen, nicht
vor zwei, drei Stunden schon einmal gegessen haben, wieder und wieder werden
Gerichte aufgetragen, es nimmt kein Ende, sondern immer einen neuen Anfang,
und Nomi und ich staunen, wie viel unsere zierliche Mamika essen kann, und
Mutter hat schon längstens aufgehört, ihre Lippen nachzuziehen, und Tante
Manci verwandelt sich in ein grosses Huhn, als sie erzählt, wie ihr bestes
Legehuhn sie vor ein paar Tagen an der Nase herumgeführt hat, anfing, seine
Eier an versteckten Orten zu legen, poooooopopopopo, und alle lachen Tränen,
weil Tante Manci die Sprache der Hühner nicht nur versteht, sondern sie auch
spricht, Tante Manci, die so lange gegackert hat, bis ihr Huhn sie zu den Eiern
geführt hat; der Brautführer wird nicht müde, Sprüche auf die aufgetragenen
Gerichte zu kreieren, mit einer Gulaschsuppe wollen wir uns kräftigen, den Leib
und die Seele!, eine Gulaschsuppe mit gezupften Nockerln, die wahrscheinlich
zum Einstieg serviert wird und dann nochmals nach Mitternacht, wenn ein
weiteres Mal Suppen aufgetragen werden, zur Gulaschsuppe noch eine Kraftbrühe
mit Tokajer, magerem Rindfleisch, Pilzen und süssen Zwiebeln und ausserdem ein
Süppchen mit geschlagenem Ei und viel Petersilie für all jene, deren Köpfe
schon eingebunden sind, eine Redensart für die, die bereits sternhagelvoll
sind, hört auf, so zu gähnen, dass euch der Kopf aus dem Mund fällt, die Nacht
ist noch jung!, ruft der Brautführer und wirft seine Hand in die Luft, gibt das
Zeichen, dass man die dampfenden Töpfe bringen solle, aber die flinken,
kurzbeinigen Frauen mit den roten Kopftüchern und Schürzen tragen zu zweit
Platten herein, vor den Suppen noch eine kleine Überraschung!, zarte Ferkelsülze,
frische Gänseleber im Schmalz, gefüllte Saftgurken, Tomaten mit
Fischfiletfüllung, Forelle mit Gänseleberfüllung, pochierte Zwiebeln und
Pilzen, Palatschinken mit Kalbspörkölt und saurer Sahne; und die Musiker
spielen einen Tusch auf die Überraschung, auf das Brautpaar, auf Nándor und
Valeria!, das Glück soll für euch und für uns alle musizieren!, ruft der
Brautführer, Nomi, die sich ständig darüber aufregt, dass er so geschwollen
daherredet - Nomi und ich, wir schleichen uns beim Aaaaah und
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