Was geschah mit Angelika H.
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Die beiden Männer sahen aus, als wären sie dem billigen Remake eines Laurel-&-Hardy-Films entstiegen, aber im Gegensatz zu ihren Slapstickvorbildern hatten sie ganz und gar nichts Komisches an sich. Der eine, der Große mit dem wüst zernarbten Gesicht und dem Körperbau eines drüsenkranken Gorillas, walzte wie ein Panzer über die Straße, dem niemand verraten hatte, daß der letzte Krieg schon vor fünfzig Jahren verloren worden war, und sein magersüchtiger, käseweißer Begleiter dackelte wie ein verhaltensgestörter Minenspürhund zwei Schritte hinter ihm her, mit einem Gesichtsausdruck, der deutlich verriet, wie sehr er alles Gute, Wahre und Schöne verabscheute.
Keiner von beiden erweckte den Eindruck, als wäre er in der Baumschule über die erste Klasse hinausgekommen, aber sie trugen Anzüge von Boss, Hemden von Lacoste und Socken von Gottweißvonwem, und wenn es etwas gab, das Markesch haßte, dann waren es vorzeitige Baumschulabgänger, die den großen Modemacker heraushängen ließen, aber nicht mal mit Hilfe eines Taschenrechners bis drei zählen konnten.
Sie steuerten direkt auf das Café Regenbogen zu, wo Markesch an seinem Tisch unmittelbar vor dem Tresen saß, auf neue Klienten wartete und sich mit einem doppelten Scotch und einer zwei Tage alten Ausgabe des Kölner Express die Zeit vertrieb.
Die Schlagzeilen waren so deprimierend wie der Morgen nach einer durchzechten Nacht – Trabi von Schwerlaster überrollt, Pudel in Gully ertrunken, Schutzgeldmafia jagt Ring-Pizzeria in die Luft – und Markesch fragte sich ernsthaft, ob er sich die richtige Lektüre zum Aufheitern ausgesucht hatte.
Vielleicht sollte ich lieber meine gesammelten Rechnungen, Mahnungen und Zahlungsbefehle lesen, dachte er. Vielleicht sollte ich sie mit Kommentaren und Fußnoten versehen, ein spritziges Nachwort schreiben und einem renommierten Verlag zur Veröffentlichung anbieten: Der Malteser Pleitegeier – ein Privatdetektiv packt aus. Ich könnte auf einen Schlag berühmt und alle Schulden loswerden. Oder es geschieht doch noch ein Wunder und ein Klient kommt herein, mit einem sensationellen Fall und einem dicken Scheck, der all meine Probleme löst.
Es war nur eine vage Hoffnung.
In der letzten Zeit hatte er sich mühsam mit ein paar kleineren Aufträgen über Wasser gehalten, hauptsächlich von eifersüchtigen Ehemännern, die sich die Beschattung ihrer untreuen Frauen ein paar Hunderter kosten ließen, doch jetzt rückte Weihnachten heran, und die eifersüchtigen Ehemänner brauchten jede Mark für das Fest der Liebe und den Skiurlaub inklusive Freundin in Tirol.
Markesch leerte das Glas und signalisierte Archimedes, ihm einen neuen Scotch zu bringen. Der lockenhaarige, schwarzbärtige Grieche, Schwarm aller Studentinnen von der nahegelegenen Universität, hetzte gestreßt von Tisch zu Tisch und nahm die Bestellungen der Gäste entgegen. Das Café war so voll, als hätte Archimedes den Tag der offenen Tür ausgerufen und ein Schild mit der Aufschrift Getränke frei, alles andere gratis ans Fenster gehängt.
Dann fiel ihm ein, daß Anfang Dezember das Weihnachtsgeld ausgezahlt wurde und alle die Taschen voller Hundertmarkscheine hatten, und der Gedanke deprimierte ihn noch mehr.
Mürrisch sah er durch das Dickicht der üppig wuchernden Fensterbankpflanzen nach draußen. Laurel und Hardy hatten die Berrenrather Straße inzwischen überquert und dabei einen kilometerlangen Verkehrsstau ausgelöst, doch auch ohne sie wären die Autos nur im Schrittempo vorwärts gekommen. Wie jeden Tag um fünf stand die Stadt dicht vor dem Verkehrsinfarkt, und Markesch war plötzlich froh, daß er es sich als Freiberufler leisten konnte, im Regenbogen zu sitzen und Scotch zu trinken, statt sich durch den Feierabendverkehr quälen zu müssen.
Laurel und Hardy blieben vor dem Fenster stehen und stierten ins Café. Der Kleine sagte etwas, und der Große grinste breit über seine verwüstete Visage, als gälte es, für das Guinness-Buch der Rekorde einen neuen Häßlichkeitsrekord aufzustellen. Nach Markeschs Einschätzung hatte er gute Chancen, das Rennen zu machen – noch vor Quasimodo, dem Elefantenmenschen und dem dritten Zombie von rechts in George Romeros Nacht der lebenden Toten. Sie gehörten zweifellos nicht zu der Sorte Gäste, die ein auf Stil und gepflegte Gemütlichkeit bedachter Gastronom in seinem Lokal gerne willkommen heißt, aber zum Glück waren alle Tische im Café besetzt.
Markesch drehte sich zu
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