Accelerando
macht sich auf den Weg in den hinteren Teil der Bar, die
zwei Ebenen hat. Über die kleine Treppe geht er zu einem Tisch
hinüber, an dem sich ein Typ mit fettigen Dreadlocks mit einer
formell gekleideten Person aus Paris unterhält. Erst jetzt
erkennt ihn der Nervheimer an der Bar und starrt ihn mit weit
aufgerissenen Augen an. Als er wie von der Tarantel gestochen zur
Tür eilt, verschüttet er fast seine Cola.
O Scheiße, denkt Manfred, kauf mir wohl besser
noch mehr Server-Zeit. Er erkennt die Zeichen: Demnächst
werden unzählige Freaks ihn slashdotten; sie werden seine
Website mit einer wahren Verkehrsflut attackieren, sodass der Server
nicht mehr nachkommt und außer Kraft gesetzt wird. »Ist
hier besetzt?«, fragt er und deutet auf den Tisch.
»Nehmen Sie ruhig Platz«, sagt der Typ mit den
Dreadlocks. Als Manfred sich den Stuhl zurechtrückt, fällt
ihm auf, dass die andere Person am Tisch – sie trägt einen
makellosen Zweireiher, eine unauffällige Krawatte und einen
Kurzhaarschnitt – eine junge Frau ist. Sie merkt, wie er stutzt,
und nickt ihm mit halbem Lächeln zu. Auch Mr. Dreadlock nickt.
»Sie sind Macx? Finde, ist auch an der Zeit, dass wir uns mal
persönlich kennen lernen.«
»Allerdings.« Manfred streckt die Hand aus, die der
andere nimmt und schüttelt. Manfreds Palm-PDA registriert
diskret die digitalen Fingerabdrücke und bestätigt, dass
die Hand tatsächlich Bob Franklin gehört. Dem Bob Franklin,
der sich früher mit VC-Pfaden befasste, in einem Trio von
Startup-Forschungsunternehmen herummacht und seinen Schwerpunkt in
jüngster Zeit auf Mikromaschinen und Raumtechnologie verlagert
hat. Seine erste Million hat Franklin vor zwei Jahrzehnten gemacht.
Inzwischen hat er sich auf extroprianische Investitionsgebiete
spezialisiert und in den letzten fünf Jahren
ausschließlich in Übersee operiert. Schuld daran ist die
amerikanische Steuerfahndung, die vor fünf Jahren
mittelalterliche Methoden entwickelt hat, um die klaffende Wunde im
defizitären Haushalt des Bundes nach Möglichkeit zu
stopfen. Manfred kennt Bob Franklin seit fast zehn Jahren von einer
geschlossenen Mailing-Liste her, aber es ist das erste Mal, dass er
ihm von Angesicht zu Angesicht begegnet.
Die Frau im Anzug schiebt stillschweigend eine Geschäftskarte
über den Tisch; ein kleiner roter Teufel schleudert ihm einen
Dreizack entgegen, während an seinen Füßen Flammen
hochschießen. Manfred nimmt die Karte und zieht eine Augenbraue
hoch: »Annette Dimarcos? Schön, Sie kennen zu lernen. Kann
leider nicht behaupten, dass ich schon mal jemandem aus der
Marketing-Abteilung von Arianespace begegnet bin.«
Sie lächelt ihm herzlich zu. »Das ist schon in Ordnung.
Isch ’abe ja auch noch nicht das Vergnügen ge’abt, dem
berühmten Altruisten in Sachen Risikokapital zu begegnen.«
Ihr Akzent verrät deutlich die Pariserin. Zwangsläufig
erinnert sie ihn damit daran, dass sie ihm schon durch die Wahl der
Sprache entgegenkommt. Ihre Ohrringe, in denen winzige Kameras
stecken, beobachten ihn neugierig und zeichnen alles, was sie sehen,
für den Speicher von Arianespace auf. Die Frau ist eine echte
Europäerin neuen Typs, ganz anders als die meisten der
amerikanischen Exilanten, die sich an der Theke drängen.
»Nun ja.« Er nickt vorsichtig, weil er nicht genau
weiß, wie er mit ihr umgehen soll. »Bob, ich nehme an, Sie
sind auch irgendwie beteiligt?«
Als Franklin nickt, klimpern die Perlen der Dreadlocks. »Ja,
Mann. Seit der Katastrophe mit den Teledesic-Satelliten hieß es
ständig nur, na ja, abwarten und Tee trinken. Wenn Sie etwas
für uns haben, sind wir dabei.«
»Hm.« Dem Satellitenschwarm von Teledesic in niedriger
Umlaufbahn wurde von billigen Ballons und nicht ganz so billigen
Fernlenkraketen mit großer Reichweite der Garaus gemacht. Die
Raketen hatten Solarantrieb und ein Lasernetz mit Breitenspektrum.
Mit dieser Katastrophe begann eine ernsthafte Rezession im
Satellitengeschäft. »Die Depression muss ja irgendwann mal
aufhören. Aber bei allem gebührenden Respekt«, Manfred
nickt Annette aus Paris zu, »glaube ich nicht, dass eine der
bestehenden Satelliten-Gesellschaften am Durchbruch beteiligt sein
wird.«
Sie zuckt die Achseln. »Arianespace blickt nach vorne. Wir
setzen uns mit der Realität auseinander. Das Kartell, das
Satelliten in den Weltraum befördert, wird nicht
durch’alten. Aber Bandbreite ist ja nicht die einzige treibende
Kraft im Weltraumgeschäft. Wir müssen neue
Möglichkeiten
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