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Adiós Hemingway

Adiós Hemingway

Titel: Adiós Hemingway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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hingeben, nachdenken und – wenn ihm irgendeine gute Idee kommen würde – sogar mit dem Schreiben beginnen können. Denn das Meer mit seinen Gerüchen und Geräuschen war sein persönliches Paradies, lieferte die ideale Szenerie für seinen Geist, seine Seele und seine unauslöschlichen Erinnerungen. Wie in der Fantasie eines zähen Schiffbrüchigen überdauerte in ihm schon seit Jahren die verführerische Vorstellung, eines Tages in einem Holzhaus am Meer zu leben, morgens mit Schreiben und nachmittags mit nichts als Angeln und Schwimmen seine Zeit zu verbringen. Auch wenn die herzlose Realität seit etlichen Jahren diesen Traum Lügen strafte, hielt El Conde unbeirrbar an dieser Fantasie fest. Anfangs hatte ihm das Traumbild so lebhaft, gestochen scharf, beinahe fotografisch genau vor Augen gestanden, doch inzwischen konnte er davon nur noch flimmernde Lichtreflexe erkennen, als wäre es ein Bild, das der Palette eines mittelmäßigen Impressionisten entsprungen war.
    Deshalb ließ er schließlich davon ab, sich über die tieferen Gründe seines Tuns und Lassens am heutigen Nachmittag den Kopf zu zerbrechen. Er wusste nur, dass Körper und Geist danach verlangten, dass er wieder an die kleine Bucht von Cojimar zurückkehrte, die sich in seine Erinnerung eingegraben hatte, als wäre sie eine unverzichtbare Kulisse. Eigentlich hatte alles genauso angefangen, genau hier, mit dem Blick aufs Meer, unter diesen Kasuarinen, inmitten genau dieser ewigen Gerüche, an jenem Tag im Jahre 1960, als er Ernest Hemingway begegnet war. Das präzise Datum war ihm, wie so viele andere schöne Dinge des Lebens, entfallen. Er konnte nicht einmal mehr mit Gewissheit sagen, ob er damals noch fünf oder bereits sechs Jahre alt gewesen war. Es war die Zeit, als ihn sein Großvater Rufino El Conde immer an die interessantesten Orte mitnahm, zu den Hahnenkampfplätzen und in die Hafenkneipen, zu den Dominotischen und in die Baseballstadien, an seine Lieblingsorte also, wo der kleine Mario Conde vieles von dem lernte, was ein Mann lernen muss. An jenem Nachmittag, der bald unvergesslich werden sollte, waren sie in Guanabacoa gewesen, um sich Hahnenkämpfe anzuschauen und zu wetten. Wie fast immer hatte sein Großvater gewonnen und beschlossen, zur Krönung des Tages mit seinem Enkel nach Cojimar zu fahren, damit der Junge das Dorf und das (wie er behauptete) beste Eis von ganz Kuba kennen lernte, das der Chinese Casimiro Chon in alten Holzkübeln herstellte, immer aus frischem Obst.
    Noch heute glaubte sich El Conde an den cremig-klebrigen Geschmack des Mamey-Eises zu erinnern und an seine Begeisterung über eine prachtvolle Fischerjacht mit schwarzem Rumpf und braunen Planken und zwei riesigen, in den Himmel ragenden Angelruten, die das Schiff wie ein schwimmendes Insekt aussehen ließen. Wenn Mario sich recht erinnerte, hatte er beobachtet, wie die Jacht sich gemächlich der Küste näherte, wobei sie den in der Bucht ankernden altersschwachen Fischerbooten geschickt auswich, um schließlich am Landeplatz festzumachen. Im nächsten Augenblick sprang ein sonnenverbrannter Mann mit nacktem Oberkörper von Bord auf den geteerten Landungssteg. Er fing das Tau auf, das ihm ein zweiter Mann, der eine schmutzig weiße Kapitänsmütze trug, von Deck aus zuwarf. Der Rotgesichtige zog die Jacht näher an den Steg heran und schlang das Tau mit einem perfekten Knoten um einen Poller. Vielleicht wollte Großvater Rufino seinen Enkel auf irgendetwas aufmerksam machen, doch dessen Augen hingen bereits gebannt an dem anderen Mann, dem mit der Kapitänsmütze, der außerdem eine runde Brille mit grünen Gläsern trug und einen dichten weißen Bart hatte. Der Junge sah ihm zu, wie nun auch er an Land sprang und mit dem sonnenverbrannten, rotgesichtigen Mann sprach. Sein Leben lang sollte El Conde der festen Überzeugung bleiben, dass er gesehen hatte, wie die beiden Männer sich die Hand gaben und eine Weile, die in der Erinnerung nicht genau zu bestimmen war, so dastanden und miteinander redeten, vielleicht eine Minute oder auch eine Stunde, aber ganz bestimmt Hand in Hand. Dann umarmte der bärtige alte Mann den anderen und ging über den Steg davon, ohne sich noch einmal umzublicken. Er hatte etwas von einem Weihnachtsmann, dieser bärtige und ein wenig schmuddelige Alte mit den großen Händen und Füßen, der sich jetzt mit festem Schritt, jedoch irgendwie traurig entfernte. Vielleicht aber beruhte dieser Eindruck auch nur auf etwas Magischem,

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