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Adiós Hemingway

Adiós Hemingway

Titel: Adiós Hemingway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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einmal in der Bar ›Floridita‹ seinem armen, chronisch leeren Geldbeutel zugemutet hatte, um dann ein trübes Gesöff vorgesetzt zu bekommen, dem Hemingway – das sollte wohl die persönliche Note sein – das rettende Löffelchen Zucker verweigert hatte, das eine zusammengepanschte Plörre zu einem guten Cocktail veredeln kann. Mehr als trübe allerdings empfand er die geradezu beleidigende Idee, ein Luxushotel namens ›Marina Hemingway‹ an einem der Strände von Havanna hinzuklotzen, damit sich die Reichen und Schönen dieser Welt (aber ja kein zerlumpter Kubaner) an Jachten und Stränden erfreuen konnten, an guten Getränken und feinem Essen, an zu allem bereiten Huren und einer karibischen Sonne, die die Haut so reizvoll tönt. Selbst die Finca Vigía, das Hemingway-Museum, das er seit so vielen Jahren nicht mehr besucht hatte, kam ihm vor wie eine zu Lebzeiten kalkulierte Inszenierung für die Zeit nach dem Tod … Nur der verwitterte, öde kleine Platz in Cojimar mit der Bronzebüste sagte wirklich etwas aus. Es war nach seinem Tod weltweit die erste Ehrung gewesen, und keiner seiner Biografen erwähnte sie. Doch es war die einzige aufrichtige Huldigung, denn das Denkmal hatten die Fischer von Cojimar aus ihrer eigenen Tasche bezahlt. In ganz Havanna hatten sie die Bronze für die Skulptur zusammengesucht, und der Bildhauer hatte auf ein Honorar verzichtet. Jene Fischer, denen Hemingway in schlechten Zeiten den Fang aus günstigeren Gewässern überließ, denen er während der Verfilmung von Der alte Mann und das Meer Arbeit gab (und sie ordentlich bezahlte), mit denen zusammen er Bier und Rum trank (auf seine Rechnung) und denen er schweigend lauschte, wenn sie von riesigen Fischen erzählten, die sie in den warmen Gewässern des großen blauen Stromes gefangen hatten – jene Fischer empfanden, was niemand sonst auf der Welt empfinden konnte. Ihnen war ein Freund gestorben, ein Kamerad, und das war Hemingway weder für die Schriftsteller- noch für die Journalistenkollegen gewesen, nicht für die Toreros oder die Großwildjäger in Afrika, ja nicht einmal für die Spanienkämpfer oder für die französischen Widerstandskämpfer, an deren Spitze er nach Paris marschiert war, um die glückliche, feuchtfröhliche Befreiung des ›Ritz‹ von der Nazi-Herrschaft zu feiern. Vor diesem Bronzeklumpen verflog die spektakuläre Verlogenheit des Lebens von Ernest Hemingway, überwunden durch eine der wenigen Wahrheiten hinter seinem Mythos. El Conde bewunderte diesen Beweis der Freundschaft, nicht wegen des Schriftstellers, der ihn nicht mehr erlebt hatte, sondern wegen der Männer, die ihn erbracht hatten, wegen ihres aufrichtigen Gefühls, das eigentlich gar nicht mehr in diese Welt passte.
    »Und weißt du, was das Schlimmste ist?«, fügte er hinzu. »Ich glaube, er ist es immer noch.«
     
    Wenn Miss Mary an jenem Mittwochabend zu Hause gewesen wäre, hätten sie Gäste gehabt wie jeden Mittwoch, und er hätte nicht so viel Wein trinken können. Es wären bestimmt nicht sehr viele zum Abendessen geladen gewesen, denn in letzter Zeit zog er ein ruhiges Leben und das Gespräch mit ein paar Freunden den Alkoholexzessen vergangener Tage vor. Insbesondere seit seine Leber Alarm geschlagen hatte. Sauferei und Völlerei standen ganz oben auf der unaufhaltsam länger werdenden Schreckensliste von Verboten. Lediglich die Mittwochabendessen auf der Finca wurden beibehalten wie ein Ritual. Unter all ihren Bekannten bevorzugte Hemingway als Gesellschaft den Arzt Dr. Ferrer Machuca, seinen alten Freund aus dem spanischen Bürgerkrieg, sowie die betörende Valerie, jene so junge und sanfte rothaarige Irin, die er, um sich nicht zu verlieben, zu seiner Sekretärin gemacht hatte, überzeugt davon, dass Arbeit und Liebe miteinander unvereinbar seien.
    Seine Frau war überraschend in die Vereinigten Staaten gereist, um den Kauf eines Grundstücks in Ketchum voranzutreiben, und er war alleine auf der Finca zurückgeblieben. Wenigstens für ein paar Tage wollte er das Alleinsein genießen, jenes Gefühl, das so leicht bitter werden kann, wenn es sich mit dem Alter verbindet. Aber noch spürte er nichts dergleichen, jeden Morgen stand er mit der Sonne auf und arbeitete hart und konzentriert an seiner Schreibmaschine, stehend, wie in den besten Zeiten. Sein Tagespensum betrug mehr als dreihundert Wörter, obwohl es ihm immer schwieriger erschien, der Wahrheit in der spiegelglatten Geschichte, der er den Titel Der Garten Eden

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