Aerzte zum Verlieben Band 47
Vorsichtig hob er die Mullkompresse und betrachtete die gezackten Wundränder. „Diesmal werden es ein paar Stiche mehr.“
„Linton?“ Eine Schwester steckte den Kopf zur Tür herein.
„Hallo, Karen.“ Er lächelte. „Sie als Superschwester können mir doch sicher eine Nahtpackung besorgen und veranlassen, dass im Röntgenraum alles vorbereitet wird? Johnno hat mal wieder eine Platzwunde am Kopf. Ach ja – und sehen Sie mal nach dem Studenten, er war eben noch ziemlich grün im Gesicht.“
„Ich würde Ihnen gern helfen, Linton, aber in fünf Minuten bekommen wir einen Patienten mit zerschmettertem Arm. Autounfall. Ich habe den Schockraum vorbereitet und bin gerade auf der Suche nach Pflegekräften. Wir sind sowieso knapp an Personal, und dazu ist die halbe Stadt draußen auf der Bungarra-Ranch bei Debbies und Camerons erstem Dünen-Buggy-Rennen.“
Linton unterdrückte einen Fluch. „Schön die Hand auf der Kompresse lassen, Johnno, ich schicke gleich Donna herein. Sie wird bei Ihnen bleiben, bis jemand Sie nähen kann.“
Noch vor drei Wochen lief hier alles wie geschmiert, aber seine Stationsschwester hatte unerwartet wegen einer dringenden Familienangelegenheit freinehmen müssen, und ihre Vertretung war ausgerechnet jetzt auf Hochzeitsreise – mit seinem Oberarzt! Heiraten brachte nur Ärger, das wusste er aus eigener Erfahrung.
Er streifte sich die Handschuhe ab. „Rufen Sie auf der Entbindungsstation an, da ist nicht so viel los. Sie sollen uns jemand herschicken.“
„Aber wir sind immer noch knapp mit …“
„Wir haben zwei Medizinstudenten, mal sehen, ob sie etwas gelernt haben.“ Er marschierte in den Schockraum, und da ertönte schon das Heulen der Sirene. Vorbei war es mit der samstäglichen Stille an diesem Winternachmittag in Warragurra.
Linton schaltete die Monitore ein und genoss die letzten Augenblicke Ruhe vor dem Sturm. In dreißig Sekunden würde hier die Hölle los sein.
Er verspürte den gewohnten Druck im Magen. Notfallmedizin bedeutete, sich immer wieder auf unerwartete Situationen und Patienten einzustellen. Normalerweise genoss er den Adrenalinschub in solchen Momenten. Doch heute fehlte ihm das gewohnte verlässliche Team.
Eilig schob Andrew, einer der Sanitäter, die Rollliege mit dem Patienten herein. „Hey, Linton. Sie sollten besser Jeremy Fallon herrufen, falls er Dienst hat.“
„Schon geschehen.“ Er warf einen Blick auf das Unfallopfer. „Jemand, den wir kennen?“
Andrew nickte, aber ehe er antworten konnte, erklang eine Frauenstimme. „Wir sollten uns nicht lange mit Reden aufhalten. Sein Blutdruck sinkt rapide!“
Eine junge Frau mit pinkfarbenem Haarschopf tauchte hinter der Rollliege auf. „Wir brauchen Plasmaexpander, er hat einen Blutdruck von siebzig.“
„Emily?“, rief Linton erfreut.
Sie lachte leise auf. „Ich weiß, ich gehöre eher in ein Flugzeug der Flying Doctors als in die Notaufnahme, aber ich bin rein zufällig hier.“
„Ben hat Glück gehabt, dass Emily heute frei hat und gerade auf dem Weg in die Stadt war.“ Andrews Stimme bebte kaum vernehmlich, ehe er sich räusperte und wieder gewohnt sachlich sprach. „Ben McCreedy, achtundzwanzig, rechter Arm zerschmettert. Schmerzmittel vor Ort verabreicht, Patient bei Bewusstsein, aber benommen.“
Linton nahm das Stethoskop vom Hals und horchte die Brust ab. Ben McCreedy war der Held des lokalen Rugby-Vereins und gerade in die Nationalmannschaft aufgenommen worden. Heute hätte er sein letztes Lokalmatch bestreiten sollen.
Der junge Mann lag blass und still unter einer Decke. Sein rechter Arm stand in einem unnatürlichen Winkel vom Körper ab und war knapp unterhalb der Schulter mit einer Aderpresse abgebunden.
„Er ist tachykard. Geschätzter Blutverlust?“ fragte Linton, während er sich um professionelle Distanz bemühte. Etwas, das ihm immer schwerer fiel, je länger er in Warragurra arbeitete.
„Zu hoch.“ Emily hob den Patienten zusammen mit Andrew auf die Klinikliege.
Ein Medizinstudent und eine Studentin wagten sich zaghaft in den Raum. „Dr. Gregory, brauchen Sie uns hier?“
Nur mit Mühe verkniff sich Linton einen ironischen Kommentar. „Schließen Sie den Patienten ans EKG an und legen Sie eine Kontrollkarte für die Flüssigkeitsversorgung an. Wo ist Schwester Haigh?“
Jason, der Student, der vorhin beinahe ohnmächtig geworden war, schaute sich nervös um. „Sie hat gesagt, dass auf der Entbindungsstation gerade drei Frauen in den Wehen
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