AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
gewarnt wurde. Er findet noch Zeit, verräterische Papiere zu verbrennen, aber er nutzt die Gelegenheit zur Flucht nicht. Katte wird im Namen des Königs verhaftet, überreicht ungerührt seinen Degen und wird auf eine Wachstation gebracht. Der dort anwesende Offizier ist über den neuen Arrestanten nicht erfreut: „Er hatte länger als drei Stunden mit Ausführung des königlichen Befehls gezögert und war sehr böse, Katten noch vorzufinden“, schreibt Wilhelmine in ihren Memoiren. Am 27. August wird der Gefangene in Berlin dem König vorgeführt. Prinzessin Wilhelmine steht am Fenster des Schlosses und sieht Katte, wie er über den Schlossplatz geführt wird: „Er war bleich und entstellt“, schreibt sie, „nahm aber doch den Hut ab, um mich zu grüßen. Hinter ihm trug man die Koffer meines Bruders und die seinen, welche man weggenommen und versiegelt hatte. Gleich darauf erfuhr der König, dessen Empörung bis dahin sich gegen uns gerichtet hatte, dass Katte da sei. Und er verließ uns nun, um den Ausbrüchen seines Zornes ein neues Ziel zu geben.“
Der Zorn des Königs trifft den Gefangenen mit aller Macht: Er reißt Katte das Johanniterkreuz vom Hals, prügelt ihn mit einem Stock und tritt ihn mit Füßen. An welchen Hof der Kronprinz flüchten wollte? Doch der Leutnant hält stand und verrät seinen Freund nicht. Schließlich wird der Fall einem Kriegsgericht übergeben, das sich bezüglich des Kronprinzen für unzuständig erklärt und Hans Hermann von Katte zu lebenslanger Festungshaft verurteilt. Doch das ist dem zürnenden Herrscher nicht genug. Er bemerkt: „Sie sollen Recht sprechen und nicht mit dem Flederwisch darüber gehen. Das Kriegsgericht soll wieder zusammenkommen und anders sprechen.“ Damit fordert er ein Todesurteil. Doch die Richter beugen sich nicht. Schließlich fällt der König selbst ein Todesurteil, das er ausführlich begründet. Er schreibt: „… Also wollen Sie hiermit, und zwar von Rechtswegen, daß der Katte, ob er schon nach denen Rechten verdient gehabt, wegen des begangenen Crimen Laesae Majestatis mit glühenden Zangen gerissen und aufgehenket zu werden, Er dennoch nur, in Consideration seiner Familie, mit dem Schwert vom Leben zum Tode gebracht werden solle. Wenn das Kriegs-Recht dem Katten die Sentence publicirt, soll ihm gesagt werden, daß es Sr. K. M. leid thäte, es wäre aber besser, daß er stürbe, als daß die Justiz aus der Welt käme.“
Hans Hermann von Katte bewahrt Haltung, als ihm der Richtspruch mitgeteilt wird. „Ich bin“, sagt er, „völlig in die Fügungen der Vorsehung und den Willen des Königs ergeben. Ich habe keine schlechte Handlung verübt und wenn ich sterbe, so ist es um einer guten Sache willen.“
Der Verurteilte richtet ein Gnadengesuch an den Herrscher. Am 3. November wird ihm mitgeteilt, dass es abgelehnt wurde. Der Offizier, der die schlechte Nachricht überbringt, ist erschüttert. Katte antwortet: „Sie sind zu gütig, aber ich bin mit meinem Schicksal zufrieden. Ich sterbe für einen Herrn, den ich liebe, und habe den Trost, ihm durch meinen Tod den stärksten Beweis der Anhänglichkeit zu geben.“
Wer ist dieser Mann, der von sich selbst sagt, den Kronprinzen zu lieben? Hans Hermann von Katte, acht Jahre älter als Friedrich, war Gardekürassier-Offizier beim „vornehmsten Regiment der Christenheit“, der königlichen Leibgarde. Die Zugehörigkeit zu dieser Eliteeinheit wird bei seiner Verurteilung eine entscheidende Rolle spielen. Ein nicht besonders wohlgesinnter Zeitgenosse zeichnete folgendes Bild des Hans Hermann von Katte: „Er war klein und sonnenverbrannt und hatte von den Blattern außerordentlich gelitten. Dazu dicht zusammengewachsene Augenbrauen, was ihm ein finsteres Ansehen gab. Er besaß Geist, aber wenig Urteil und war ehrgeizig und dünkelhaft. Die Gunst des Kronprinzen verrückte ihm vollends den Kopf, und er betrug sich dabei wie ein indiskreter Liebhaber in Ansehung seiner Geliebten. Überall zeigte er die Briefe des Prinzen vor, erhob ihn bis in die Wolken und tadelte dagegen Jegliches, was der König tat. Er war es hauptsächlich, der die Unzufriedenheit des Prinzen nährte, denn er ward von demselben in allen Stücken zu Rate gezogen. Nichts geschah, ohne dass Katte befragt worden wäre, und dabei war er klug genug, dem Prinzen immer nur das anzuraten, was dieser wünschte. Es wäre für beide gut gewesen, wenn sie einander nie kennengelernt hätten.“
Der junge Offizier soll aber auch
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