AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
stürzen, seine Frau erheben. Die Brüder Orlow stehen in der Gunst der Herrscherin.
Ihr Gemahl, der russische Zar Peter III. wurde im Juli 1762 wenige Tage nach seiner Verhaftung auf Schloss Ropscha bei Sankt Petersburg ermordet. Vergiftet oder erwürgt? Katharina informierte ihre Völker über den Tod des Zaren in einem dürren Manifest: „Seine Hoheit Peter III. ist an einer starken Kolik erkrankt und nach dem Willen des Allerhöchsten verschieden.“ Seine Gemahlin „verzieh“ jedenfalls dem Anführer der Wacheinheit, Alexei Grigorjewitsch Orlow, der für den Mord am Zaren verantwortlich war, und trauerte nicht lange um ihren verblichenen Gatten, den sie ohnehin hasste. Schließlich war die Zarenwitwe Nutznießerin – wenn nicht Auftraggeberin – des Staatsstreichs und des kaltblütigen Mordes. Die Drahtzieher des Putsches hatten höchst intime Beziehungen zur Zaren-Gattin. Gardeoffizier Grigori Orlow diente seiner Herrin seit 1761 nicht nur als Soldat, er erfreute die sexuell aufgeschlossene Katharina auch im Bett. Zar Peter III. wusste wohl von der Affäre seiner Frau, und auch ihre Schwangerschaft wird ihm nicht entgangen sein, doch sein Interesse an der deutschen Prinzessin blieb während ihrer arrangierten Ehe gering. Es war nicht sein einziger Fehler.
Peter Ulrich von Holstein – so hieß der Zar mit „bürgerlichem“ Namen – geht in die Chronik der russischen Kaiser als bizarre Randerscheinung ein. Der Neffe der kinderlosen Zarin Elisabeth war aus dem norddeutschen Holstein ins russische Reich geschickt und als Thronfolger auserkoren worden. Für den unreifen 16-Jährigen war die 14-jährige deutsche Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst-Bernburg als Ehefrau bestimmt worden. König Friedrich II. von Preußen hatte die quirlige Sophie in einem Briefwechsel mit der Zarin ins Heiratsspiel gebracht. Das pubertierende Mädchen wurde natürlich nicht gefragt. Grundsätzlich hätte sie gar nichts gegen ihren Cousin Peter einzuwenden gehabt. Sophie akzeptierte die Spielregeln der Hocharistokratie. Die Chance, Zarin von Russland zu werden, ergibt sich nicht oft.
Allerdings konnte ihr der zugedachte Ehemann „das Wasser nicht reichen“. Nach einer Pockenerkrankung entstellt, begnügt sich der künftige Zar mit Saufgelagen und spielt mit Zinnsoldaten. Er entwickelt kein Interesse an der geschlechtsreif werdenden Sophie.
Auch die Hochzeitsnacht wird so zum Desaster, Peter kriecht betrunken ins Ehebett und schläft bis in den späten Morgen. Neun Jahre lang weigert sich der Zarewitsch, der Jungfernschaft seiner Gattin zu Leibe zu rücken. Unbeachtet und einsam am fremden Hof liest Katharina die Schriften von Tacitus, begeistert sich für die Ideen der französischen Philosophen Montesquieu und Voltaire, denkt über Ethik, Politik sowie Fragen der Staatsführung nach. Sie spricht mehrere Sprachen, mehrt ihre Bildung. Den entgangenen Lustgewinn holte Katharina in den folgenden Jahren auf.
Sophie begann sich nach Alternativen umzusehen und fand sie bald. Die zur „Großfürstin“ geadelte und nach dem Übertritt zum orthodoxen Ritus „Katharina“ Genannte verliert ihre Jungfernschaft im Liebesspiel mit einem Kammerherrn, der die künftige Kaiserin auch gleich schwängerte. Der so gezeugte Thronfolger erhielt den Namen Paul und wurde der Mutter kurz nach der Geburt weggenommen. Ihr Liebhaber wurde vom Hof der Zarin verbannt. Er hatte seine Pflicht erfüllt. Sie auch. Russland hatte einen Thronfolger.
Das historische Bild Peters III. schwankt in der geschichtlichen Betrachtung. Der Holsteiner Prinz war in seinem Reich emotional nie angekommen. Er verachtete den russischen Lebensstil, hasste Land und Leute und umgab sich mit Freunden aus seiner Heimat. Er trug meist eine preußische Uniform, obwohl das Zarenreich mit Frankreich und der Habsburger-Monarchie gegen Preußen und England kämpfte. Für seine persönliche Sicherheit engagierte er eine eigene Holsteiner-Garde, die er allerdings im entscheidenden Moment nicht mehr gegen die Putschisten einsetzen wollte. Außenpolitisch bewunderte der Zar seinen preußischen Kollegen Friedrich II. Mit ihm führte er eine intensive Korrespondenz. Die persönliche Zuneigung zum großen Preußenkönig Friedrich veränderte auch das europäische Machtgefüge. Das Zarenreich wechselte militärisch die Seiten und schloss sich in der Endphase des Siebenjährigen Krieges den Preußen an. Dieser Schwenk bewahrte das Haus Brandenburg vor einer Niederlage
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