Afrika im Doppelpack: Vater und Sohn mit dem Rucksack durch Schwarzafrika
Stromausfall oder einfach der romantischen Stimmung wegen. Schlafsack, Moskitonetz und ein paar langärmelige Kleidungsstücke zum Schutz gegen die Blutsauger oder die Kühle der Nacht.
Es war immer derselbe Plan, immer der gleiche Rhythmus der Vorbereitungen. Der Lochstreifen war gestanzt, nur die Feinjustierung erfolgte jedes Mal neu. Reiste ich mit Michael allein, war der Anspruch am größten. Unsere nur begrenzt zur Verfügung stehende Reisezeit machte eine akribische Reiseplanung und Vorbereitung überhaupt erst notwendig. Kein Zeitlimit, dafür maximale Flexibilität hieße die Alternative, die wir nie hatten. Selbst dann: Reisen mit Kind braucht ein Programm, der Tag eine zumindest lockere Struktur. Eine Antwort auf das „Was machen wir heute, Papa?“
Eines darf nicht verschwiegen werden: Während der gesamten Reisevorbereitungen unterstützte Lukhgai mich, wo sie nur konnte. Niemals aufdringlich, niemals auf einen Fauxpas lauernd, niemals böswillig. Vielmehr war sie die gute Seele, die ich allzeit brauchte. War ein bester Freund. Unverzichtbarer Ratgeber, kritischer Tippgeber. Nahm mir die Nöte des Alltags ab und half aus, wo sie konnte. Ohne ihren Rückhalt wäre jede Reise undenkbar, gegen ihren Willen undurchführbar. Sie verteidigte unser Vorhaben allen Kritikern und Neidern gegenüber. Vorbehaltlos. Eisern. Liebevoll. Die Beste, die es für mich gab.
03. Safari
Südafrika und Botswana, im Jahr 2007
Seit ich ein kleiner Junge war, träumte ich von Afrika. Vor meinem inneren Auge zogen Gnus und Zebras zu Zehntausenden über die unendliche Weite der afrikanischen Steppe. Es gab schlammige Wasserlöcher mit hungrigen Krokodilen und grazile Antilopen, die der Durst zum Wasser und ins Verderben trieb. Ich sah ganze Rudel hungriger Löwen durch das hohe Gras schleichen und hörte imaginäre Elefantenbullen Ehrfurcht gebietend brüllen. Es war eine Welt, in der der Stärkere den Schwächeren fraß und die Menschen noch wie zu Urzeiten in Krählen lebten.
Befeuert wurden meine Tagträumereien von Filmen wie „Serengeti darf nicht sterben“ oder der Filmreihe „Ein Platz für Tiere“, mit denen der berühmte Tierfilmer Bernhard Grzimek seine Zuschauer mit fantastischen Bildern in die verschiedensten Naturparadiese Afrikas entführte – Fernseherlebnisse, die Unzählige faszinierten und das Interesse für die Natur Afrikas und deren Schutz entstehen und wachsen ließen.
Als wäre es erst gestern gewesen, erinnerte ich mich an die Abende im Schoße der Familie vor dem Fernseher mit den „lehrreichen“ Sendungen über die Wildnis. An das Gefühl, das in mir aufstieg, wenn ich wieder einmal eine rotglühende Sonne hinter einer Schirmakazie untergehen sah oder eine Jagdszene auch ohne mich ihr erbarmungsloses Ende fand. Ein Gefühl, das eine Unzufriedenheit in mir nährte. Eine Unzufriedenheit mit der Sicherheit verheißenden Geborgenheit des elterlichen Wohnzimmers und eine noch viel größere Unzufriedenheit mit der gängigen Meinung all jener Personen, die mir als kleinen Pimpf sagen wollten, wo es lang zu gehen hätte. Ganz im Gegensatz zu meinen Eltern und Großeltern war ich schon damals der Auffassung, dass es eben nicht völlig ausreichte, die Wunder des schwarzen Kontinents nur vom Sofa aus über die Mattscheibe flimmern zu sehen. Ich beneidete die „armen Negerkinder“, die, anstatt in die Schule zu gehen, die Rinder ihrer Familien in der Steppe hüten – mussten? Durften? Waren sie doch dort, wohin es mich zog. Atmeten die Luft, die für mich bestimmt schien, und rochen die Gerüche, die dem Fernsehapparat nicht entströmten und nach denen ich mich so sehnte.
Jetzt saß da wieder ein kleiner Junge und starrte mit glänzenden Augen auf ein Stück ungebändigter afrikanischer Wildnis, in der es von Zebras, Antilopen und Giraffen nur so wimmelte. Aber die gemütliche Wohnzimmercouch von einst war jetzt der staubige Ledersessel eines Toyota Land Cruiser und der Blick blieb nicht in den eigenen vier Wänden hängen, sondern verlor sich in den unendlichen Weiten Afrikas. Und der kleine Junge, das war mein Junge. Und wir waren auf Safari.
Wir waren vor zwei Tagen in Johannesburg gelandet, wo wir von Klara am Oliver R. Tambo Airport erwartet und in ihre Null-Sterne-Unterkunft im Stadtteil Bedfordview verfrachtet wurden. Ich kannte Klara von einem früheren Aufenthalt in Südafrika. Sie war eine Aussteigerin par excellence. Mit der letzten Hippiewelle der Siebziger von ihrem
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