Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
füttern. Sie hob den Kopf und begrüßte ihn mit einem Lächeln.
»Ihr seid schon einmal hier gewesen«, sagte sie.
»Woher wisst Ihr das, Mütterchen?«
»Das sehe ich an Eurem Gesicht. Ich bin Sarah, wie Ihr wohl wisst.«
»Geoffrey Chaucer, stets zu Diensten, Madam.« Er neigte respektvoll den Kopf.
»Ah, der Dichter!«, sagte sie. »Nun, tretet ein und unterhaltet mich mit Euren schönen Geschichten! Ich werde Euch
etwas zu trinken geben. Es ist heiß heute, und Ihr müsst durstig sein.«
Chaucer blieb jedoch auf seinem Pferd sitzen. »Habt Dank, aber ich muss noch einige Dinge erledigen, bevor die Sonne untergeht. Ich habe Euch jedoch etwas mitgebracht. Könnt Ihr lesen, Mutter?«
»Nun, wie sonst sollte ich wohl wissen, dass Ihr ein Dichter seid?«
»Und könnt Ihr auch schreiben?«
»Das kann ich wohl.«
»Nun denn«, sagte Chaucer. Er holte Philomènes Tagebuch aus seiner Tasche und reichte es Sarah.
Sie öffnete es und blätterte ein paar Seiten um, dann sah sie ihn an. »Das sind keine Gedichte.«
»Nein«, erwiderte Chaucer, »aber es ist dennoch eine faszinierende Geschichte.« Sein Blick wanderte zu dem Buch. »Sie wurde von der Frau des Medicus geschrieben, der sein Tagebuch hier zurückließ …«
»Ah, davon habe ich gehört … Meine Mutter sprach oft und lebhaft darüber, als sich auf ihre alten Tage ihr Geist verwirrte. Aber ich für meinen Teil weiß nichts davon, dass es sich hier befindet.«
»Nun«, sagte Chaucer, »wenn dem so sein sollte, dann habt Ihr wohl keine Verwendung für dieses Buch. Wie bedauerlich, seine Tochter dachte, es könnte womöglich von Interesse für Euch sein.« Er streckte auffordernd die Hand aus.
Sarah beäugte Chaucer misstrauisch und kratzte sich am Kinn.
»Ich werde noch einmal unter den Hinterlassenschaften meiner Mutter suchen«, sagte sie schließlich. »Mich dünkt, es könnte dort irgendwo sein, wenngleich ich es nicht mit Gewissheit sagen kann.«
Chaucer lächelte. »Nun«, sagte er, »so Ihr es finden solltet, besäßet Ihr vielleicht die Freundlichkeit, ein paar Einträge hinzuzufügen.« Er beugte sich ein wenig vor, als wolle er ihr etwas
anvertrauen. »Es wird wesentlich unterhaltsamer, wenn Ihr das tut.«
»Aye«, sagte die alte Frau. »Noch eine Geschichte eines Medicus? Man kann nur hoffen, dass diese ein besseres Ende hat.«
Ihre Augen funkelten.
Chaucer neigte den Kopf zum Abschiedsgruß und sagte: »Da wir darin nun eine Übereinkunft gefunden haben, wünsche ich Euch noch einen guten Tag, Mutter.«
»Was denn, ohne Geschichte?«
»Ihr haltet eine in Euren Händen«, erwiderte er lächelnd. Und mit diesen Worten wendete er sein Pferd und schlug den Weg zur Wiese ein. Die Eichen ließen ihn passieren, ohne dass sich auch nur ein Lüftchen regte. In der Mitte des Feldes stieg er ab und nahm eine Handvoll Erde auf. Er hielt sie sich an die Nase und sog ihren kräftigen Geruch ein, dann legte er sie an die Stelle zurück, von der er sie genommen hatte, und drückte sie ehrfürchtig wieder fest.
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